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Debakel für Obama: US-Republikaner holen Senats-Mehrheit

Denkzettelwahl für Präsident Obama
Denkzettelwahl für Präsident Obama
Die Demokraten von US-Präsident Barack Obama haben bei den Kongresswahlen eine schwere Niederlage erlitten und ihre verbliebene Macht im Kapitol verloren. Damit ordnen sich die Machtverhältnisse in Washington neu. Vom Totalstillstand bis zu einem neuen Kompromiss-Zeitalter scheint alles möglich.

Bei der Kongresswahl haben die Republikaner nach dem Abgeordnetenhaus auch wieder die Mehrheit im Senat erobert. Die Republikaner gewannen mindestens 52 der 100 Sitze im Oberhaus, wie mehrere US-Fernsehsender in der Nacht auf Mittwoch berichteten. Die Konservativen kontrollieren nun erstmals seit 2006 wieder beide Häuser des US-Parlaments.

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Obama auf dem Weg zur “lame duck”

Der 2008 von einer kaum gekannten Welle der Euphorie ins Weiße Haus getragene Barack Obama droht nun zum Ende seiner Amtszeit vom Hoffnungsträger zur sogenannten lame duck – zur “lahmen Ente” – zu werden. Für Obama wird dadurch das Regieren zusehends schwieriger. In den USA droht eine Fortsetzung der politischen Blockade. Die Republikaner können nun Gesetze verabschieden, Obama bleibt dann nur noch die Möglichkeit, ein Veto einzulegen. Eigene Initiativen kann der Präsident in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit gegen den Widerstand der Republikaner nicht durchsetzen.

Den Sieg der Republikaner hatten alle Umfragen vorausgesagt. Die Demokraten verloren ihre Senatssitze unter anderem in Arkansas, Colorado, Montana, West Virginia, South Dakota, North Carolina und Iowa. Auch in Louisiana haben die Republikaner gute Aussichten, bei einer Stichwahl am 6. Dezember den Demokraten ein Mandat abzunehmen. Im Abgeordnetenhaus erhöhten die Republikaner ihre Mehrheit von 233 auf 250 Sitze, so eine Hochrechnung des TV-Senders NBC.

Midterms: Verluste für US-Präsidenten die Regel

In den USA ist es zwar Tradition, dass Präsidenten und Regierungsparteien bei den Zwischenwahlen (Midterms) abgestraft werden. Die Niederlage fiel für Obamas Demokraten aber noch deutlicher aus, als von vielen Experten vorhergesagt. In vielen Staaten, für die ein knappes Ergebnis erwartet wurde, durften sich die Republikaner schon kurz nach Schließung der Wahllokale als Sieger feiern.

“Denkzettelwahl”

Alle Umfragen hatten vorausgesagt, dass die Wähler Obama abstrafen würden. Sie lasten seiner Regierung Missmanagement bei zahlreichen innenpolitischen Problemen an. In der Außenpolitik handle er schwach und zögerlich, so die Vorwürfe.

Schlappe für Obama: Schwere Verluste für seine Demokraten. Foto. EPA
Schlappe für Obama: Schwere Verluste für seine Demokraten. Foto. EPA ©Wahl-Desaster für Obama: Schwere Verluste für seine Demokraten. Foto. EPA

Bereits in der Wahlnacht lud Obama die Anführer beider Parteien und Kammern für Freitag zu einem Treffen ein, wie das Weiße Haus mitteilte. Bei dem Gespräch dürfte er versuchen, die Weichen für seine verbleibende Amtszeit bis Jänner 2017 zu stellen und Möglichkeiten für Kompromisse auszuloten.

McConnell deutet Kompromissbereitschaft an

Der wahrscheinliche neue Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, deutete nach seinem Sieg in Kentucky bereits Kompromissbereitschaft an: “Nur weil wir ein Zwei-Parteien-System haben, bedeutet das nicht, dass wir in ewigem Konflikt leben müssen”, sagte der 72-Jährige. “Wir haben eine Verpflichtung, bei Themen zusammenzuarbeiten.” Allerdings deutete er an, dass es nicht leicht sei, die Kluft zu überwinden.

Foto: EPA
Foto: EPA ©US-Senator Mitch McConnell und seine Frau feiern den Wahlsieg. Foto: EPA

Keine große Vision hinter Vorgehen der Republikaner

Große Reformideen der Republikaner sind indes nicht zu erwarten, glaubt der Politikberater Yussi Pick. Die Republikaner sind in einen Establishment- und einen radikalen Flügel gespalten und haben für die kommenden Jahre kein gemeinsames Projekt, sagte der frühere Kampagnen-Mitarbeiter der Demokraten der APA. “Es ist unklar, was sie – abseits von Phrasen und ihrer Anti-Obama-Haltung – jetzt machen werden.”

Nicht der erste US-Präsident ohne Mehrheit

Obama ist nicht der erste US-Präsident ohne Mehrheit. Die Suche nach Kompromissen in einer solchen Lage zählt zur politischen Tradition der USA. Auch Obamas Vorgänger George W. Bush und Bill Clinton haben sich in Einzelfragen mit einem von der Opposition beherrschten Kongress verständigen können.

Die Demokraten von US-Präsident Barack Obama hatten 2010 ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Seitdem konnten die Republikaner nahezu alle wichtigen Gesetzesvorhaben der Obama-Regierung blockieren. Nach ihrem Sieg stellen die Republikaner weiterhin den Vorsitzenden des Repräsentantenhauses. Derzeit bekleidet John Boehner (64) diesen Posten.

Teuerster Kongressswahlkampf aller Zeiten

Der Kongresswahlkampf war der bisher teuerste aller Zeiten. Nach Berechnungen des unabhängigen “Center for Responsive Politics” kostete der Wahlkampf aller Kandidaten insgesamt rund 3,67 Milliarden Dollar (2,93 Mrd. Euro).

Foto: EPA
Foto: EPA ©Foto: EPA

Wahlen und Referenden

Außer den 36 Senatoren und 435 Abgeordneten für den Kongress wurden auch 38 Gouverneure sowie Bürgermeister in 172 Städten gewählt. Darüber hinaus gibt es in zahlreichen Bundesstaaten Referenden, beispielsweise über eine Legalisierung von Haschisch, über Fracking bis zur Besteuerung zuckerhaltiger Getränke.

Oregon und Washington DC für Marihuana-Legalisierung

Der Besitz von Marihuana ist künftig wohl im US-Staat Oregon und der Hauptstadt Washington DC erlaubt. Auch in Alaska dürften Wähler sich für die Gras-Legalisierung ausgesprochen haben. Ein Votum in Florida über die Einführung der Droge zum medizinischen Gebrauch scheiterte aber an geringer Beteiligung.

Was nun, Obama? Präsident ohne Mehrheit

Kaum ein anderer US-Präsident ist in solch kurzer Zeit so tief gefallen wie Obama. 2008 wurde triumphal als erster schwarzer Präsident gewählt, 2009 erhielt der den Friedensnobelpreis, 2010 setzte er die Gesundheitsreform durch. Doch nur Monate danach verloren seine Demokraten die Mehrheit im Abgeordnetenhaus, der Zauber war verflogen. Die Republikaner radikalisierten sich, starteten eine Fundamental-Opposition – nichts ging mehr.

Die Niederlage Obama in dieser Nacht war vorhersehbar – und ist dennoch nicht so einfach zu erklären. Jahrelang litt Obama unter den Folgen der schweren Wirtschaftskrise – und konnte dennoch bei den Präsidentenwahlen 2012 einen Triumph verbuchen. Und nun, da das Wirtschaftswachstum anzieht, die Arbeitslosigkeit sinkt – ausgerechnet jetzt wird er, werden seine Demokraten abgestraft. Manche nennen es das “Phänomen Obama” – er ist ein Präsident ohne Fortune.

Doch die Krise ist auch selbst verschuldet. Zögerlich und schwach wirkte Obama in den großen Krisen der Welt. In den Augen von Millionen Amerikanern zog er etwa im syrischen Bürgerkrieg erst eine “rote Linie” – doch als diese überschritten wurde, unternahm er nichts. Ähnlich beurteilen viele sein Verhalten in der Ukraine-Krise: Obama habe sich von Russlands Präsident Wladimir Putin geradezu vorführen lassen. Zwar stand Außenpolitik nicht gerade im Zentrum des Wahlkampfs – doch einen schwachen Präsidenten mögen die Amerikaner einfach nicht.

Was bleibt dem Präsidenten ohne Mehrheit?

Der Präsident hat drei Möglichkeiten:

  • Obama regiert mit präsidialen Verordnungen. Das ist ein Stück weit möglich. Doch am Parlament vorbei zu regieren, kann keine Dauerlösung sein. Außerdem ist so nur Stückwerk möglich, es wäre ein Regieren im Klein-Klein. Für echte Veränderungen braucht man Gesetze.
  • Obama packt innenpolitisch nichts Großes mehr an, zieht sich ins Weiße Haus zurück, hält Reden. Als Ausgleich könnte er sich mehr auf die Außenpolitik konzentrieren – da können ihm die Republikaner nicht so viel Knüppel zwischen die Beine werfen.
  • Obama geht auf die Republikaner zu. Lotet Gemeinsamkeiten aus, versucht die Verkrampfung zu überwinden. So hat es Bill Clinton einst gemacht – und zumindest teilweise Erfolg gehabt. Obama ist nicht der erste Präsident, der im Parlament keine Mehrheit hat. Ausgleich und Kompromiss gehören bei aller Polarisierung zur politischen Tradition der USA.

Was ist bei den Kongresswahlen passiert?

Genau das, was die Umfragen vorhergesagt haben. Die Republikaner haben die Mehrheit im Senat zurückerobert. Zugleich bleiben sie die stärkste Partei im Repräsentantenhaus. Damit sind künftig erstmals seit acht Jahren beide Kongresskammern wieder in der Hand der Konservativen. Für die Demokraten von Präsident Barack Obama ist es ein Debakel.

Gab es Überraschungen?

Kaum. Allerdings haben die Demokraten sogar in Staaten schlecht ausgesehen, in denen sie üblicherweise stark sind. Darunter Virginia oder New Hampshire. Außerdem muss Louisiana am 6. Dezember in die Verlängerung gehen. In dem Südstaat muss ein Kandidat mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen gewinnen. Dies gelang keinem.

Wie kam es zu den Verlusten der Demokraten?

Bei der Kongresswahl in der Mitte von zwei Präsidentenwahlen, den sogenannten “Midterms”, bekommt meist die Regierungspartei einen Denkzettel verpasst. Da geht es jetzt Obama nicht viel anders als seinen Vorgängern George W. Bush oder Bill Clinton. Hinzu kommt, dass Obama mittlerweile beim Volk sehr unbeliebt ist. Viele trauen ihm nicht mehr zu, noch irgendetwas bewegen zu können.

Was bedeutet das Resultat konkret?

Die Partei von US-Präsident Barack Obama, die Demokraten, haben im Kongress nichts mehr zu sagen. Damit können nur noch die Republikaner Gesetze durch das Parlament bringen. Für den Präsidenten bedeutet, er muss Kompromisse eingehen oder mit einer Totalblockade rechnen.

Herrschte vorher nicht auch schon politischer Stillstand?

Im Kern ja. Weil die Republikaner seit 2010 das Repräsentantenhaus beherrschten, konnten sie bereits nahezu alle Initiativen der Demokraten blockieren. Gesetze müssen stets wortgleich in beiden Kammern verabschiedet werden. Doch die Senatsmehrheit verschaffte Obama einige Freiräume, die er nun auch verloren hat.

Was ändert sich im Detail?

Der Senat ist für Personalentscheidungen verantwortlich. Wenn Obama einen Minister, Bundesrichter oder Botschafter ernennt, muss er vom Oberhaus bestätigt werden. Dabei kommt er nun nicht mehr an den Republikanern vorbei. Die erste Nagelprobe kommt schon bald, da ein Nachfolger für Justizminister Eric Holder gefunden werden muss.

Worauf muss sich Obama noch gefasst machen?

Der Kongress legt den Staatshaushalt fest, den der Präsident zum Regieren braucht. Auch da ist er jetzt weitgehend von der Opposition abhängig. Will er zudem Herzensanliegen wie eine Einwanderungsreform umsetzen, wird er Abstriche von seinen Vorstellungen machen müssen.

Hat das auch außenpolitische Folgen?

Nicht direkt, da die Außen- und Verteidigungspolitik die Domäne des Weißen Hauses ist. Doch Obama wird nicht einfach am Parlament vorbei handeln können. Internationale Abkommen müssen im Kapitol bestätigt werden. Auch Kriege kann offiziell nur der Kongress erklären. Zudem werden einflussreiche Ausschüsse künftig von Republikanern geleitet.

Haben die Republikaner denn jetzt freie Fahrt?

So einfach ist das nicht. Erstens haben die Demokraten im Senat immer noch mehr als 40 der 100 Sitze – und damit eine Sperrminorität. Gesetze können wegen der Geschäftsordnung nur mit Zustimmung von 60 Senatoren verabschiedet werden. Zweitens kann Obama gegen jeden Vorstoß aus dem Kongress ein Veto einlegen. Die Frage ist, ob er seine letzten zwei Jahre im Amt als Blockierer fristen will.

Ist damit ein politischer Stillstand unausweichlich?

Viel schlimmer, als es wegen der Machtverteilung im Kongress ohnehin schon war, kann es kaum kommen. Obama könnte sich weiter darauf versteifen, mithilfe von Erlassen zu regieren. Die haben zwar nicht die Bindekraft von Gesetzen, können aber dennoch viel ausrichten. Vor allem in der Umwelt-, Bildungs- und Einwanderungspolitik setzte er sie bisher häufiger ein. Der große Wurf wird ihm damit aber nicht mehr gelingen. (APA/red)

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