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"Nach Herzenslust diskriminieren"

©APA
Heute hält Michael Weiss vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. einen Vortrag in St. Arbogast. W&W hat vorab mit ihm gesprochen.


WANN & WO: Warum ist in der Rechten Szene gerade bei den Jungen in den letzten Jahren wieder ein Aufschwung spürbar?
Michael Weiss: Weil Werte wie Gerechtigkeit und Gleichheit gesellschaftlich immer mehr aussortiert werden. Wenn es darum geht, für sich selbst mehr einzufordern – mehr Privilegien, mehr Teilhabe am Wohlstand – und den anderen weniger zuzugestehen und zuzuteilen, dafür liefern eben die Rechten das passende Weltbild und die passenden Argumente.

WANN & WO: Was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn „Linker Gutmensch“ als Schimpfwort verwendet wird?
Michael Weiss: Linke Gutmenschen, Tugendterror, Moralapostel, linke Meinungsdiktatur – das sind die Schlagworte derjenigen, die immer austeilen wollen, aber nie einstecken können. Es gibt Leute, die wollen nach Herzenslust diskriminieren dürfen, andere Menschen abwerten und demütigen dürfen, aber dafür keine Kritik und keine Konsequenzen erfahren. Wie soll eine Gesellschaft funktionieren, in der es keine Kritik und keine Konsequenzen für ein bestimmtes Verhalten mehr geben darf? Eigentlich nicht vorstellbar.

WANN & WO: Wo ist die Grenze zwischen politisch Rechter Gesinnung und Neonazi?
Michael Weiss: Ein Nazi ist „klassischerweise“ eine Person, die dem Nationalsozialismus oder einzelnen Elemente des Nationalsozialismus gegenüber positiv eingestellt ist. Nur ist häufig so, dass Nazis – oder eben Neonazis – nach außen nichts derartiges von sich geben, weil sie wissen, dass dies ihr Ansehen beschädigen kann. Und viele, die entrüstet von sich weisen, Nazis zu sein, äußern dann doch Sympathien für dies und jenes der nationalsozialistischen Politik. Gerade bei der Pegida war sichtbar, wie sich diese beiden „Typen“ in einer Bewegung zusammenfinden.

WANN & WO: Geht es um Rebellion gegen das Establishment oder um Ausländerhass und Antisemitismus?
Michael Weiss: Den Rechten, etwa in der Pegida-Bewegung oder den Anhängern eines Thilo Sarrazin, geht es um viel mehr. Es geht darum, klar zu machen, wer hier in diesem Land, in der Stadt, im Stadtteil die Regeln aufstellt, wem sich gefälligst alle „anderen“ unterzuordnen haben. Und Menschen werden zu „den Anderen“ gemacht, weil sie eine andere Herkunft haben, eine andere Sprache sprechen, weil sie angeblich schwächer sind oder auch nur einen Lebensentwurf haben, der als „nicht normal“ gilt. Diese Rebellion richtet sich in ihrem Kern gegen unten und nicht gegen oben. Was die Frage aufwirft, ob man in diesem Zusammenhang überhaupt von einer Rebellion reden sollte.

5 Fakten

  • 40 Anzeigen gab es 2016 in Vorarlberg wegen Taten mit rechtsextremen Motiven.
  • 93 Verurteilungen wegen Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz 2017 in Österreich. (Stand 31. Oktober 2017)
  • 21% stiegen rechtsextreme Taten in Vorarlberg im Vergleich 2015/2016 an.
  • 89 von 963 Taten mit rechtsextremem Hintergrund 2016 wurden von Jugendlichen begangen.
  • 3 Menschen wurden im Mai 2016 bei einem Amoklauf in Nenzing getötet. Der 27- jährige Täter kam aus dem rechtsextremen Millieu.

INFOS

YouKey: Das sind doch keine Nazis?! WANN: Heute, 15 bis 18 Uhr WO: Bildungshaus St. Arbogast Anmeldung: willkommen@arbogast.at Infos: Jugendliche Lebenswelten zwischen Neonazis, extremen Rechten und der Grauzone. Michael Weiss, Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. Er ist Experte auf diesem Gebiet und wird auch gerne auf spezielle Fragen der TeilnehmerInnen eingehen. Online: https://arbogast.at

Veranstaltungsreihe „YouKey“ in St. Arbogast

In der Reihe „YouKey – Schlüsselkompetenzen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ in Kooperation mit „am.puls – Impulse für die Jugendarbeit“ finden im Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast jährlich vier bis fünf Veranstaltungen statt. Eines der nächsten Themen ist „YouKey: zivil.courage.wirkt – Schlüsselkompetenzen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ am 13. April.

(WANN & WO)

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