Gut 41 Prozent der Vorarlberger Landesfläche sind Alpflächen. Dieser hohe Prozentsatz macht deutlich, welche Bedeutung die Bewirtschaftung der Alpen für Wirtschaft und Kultur in Vorarlberg haben. Die Alpwirtschaft ist wichtiger Teil der Landwirtschaft. Tallandwirtschaft mit Grünland- und vor allem Viehwirtschaft haben große Auswirkungen auf sie. Die Arbeit der Älpler und Älplerinnen besteht in einer Nutzung mit Rücksicht auf Tierwohl und Naturraum, der Pflege der Kulturlandschaft, der Erzeugung regionaler Produkte, in einem Beitrag zur Erhaltung eines Erholungsraumes, der auch von Wert für die Freizeitwirtschaft ist und den viele Wanderer schätzen. Der Arbeitstag ist lang, die Nächte sind kurz. Ein Großteil der Arbeit findet im Freien statt. Die Älpler sind dabei der Witterung ausgesetzt. Was auf Tourismusprospekten idyllisch wirkt, ist meist harte Arbeit. „Es ist nicht so, dass sich viele darum reißen, so zu leben. Ein Grund dafür ist, dass man weit weg ist vom Dorf, der Familie und oftmals auch sehr karg lebt. Das ist dauerhaft eine große Belastung“, erzählt Erich Thöni. Qualifiziertes Personal zu bekommen, setzt angemessene Entlohnung voraus und gute Rahmenbedingungen. „Dazu zählt auch eine gute Unterkunft.“ Die Abgeschiedenheit erzeugt auch Klischeebilder.
Für die, die hier wirklich arbeiten, ist die Situation weniger romantisch. „Wir reden nicht von Luxus, sondern von einer Art Komfort, die auch mit Hygiene, Privatsphäre – denn manchmal arbeiten auch mehrere Leute hier – und Grundversorgung zu tun hat. Mit unserer neuen Alphütte haben wir auch eine Grundlage dafür geschaffen, sich so ein Leben vorstellen zu können.“ Erich Thöni ist Schriftführer der Agrargemeinschaft der Alpe Gampaping und führt uns beim Lokal- augenschein gemeinsam mit Architekt Hans Hohenfellner durch die Räume der Hütte. „Wir sind sehr froh, dass wir mit Hans arbeiten konnten. Wir haben nach jemandem gesucht, der uns hilft, das möglich schnell und vernünftig und gut zu erledigen. Bauverantwortlicher der Agrargemeinschaft war Edgar Klehenz.“ Bauliche Maßnahmen für die Alpwirtschaft sind Wohngebäude, Hirtenhütten, Stallungen, Sennereien, Düngerstätten, Wasserversorgungen, Sicherungsbauten für Lawinenschutz und Wirtschaftswege innerhalb des Alpgebietes. Das Bauen im alpinen Raum ist kompliziert. Für den Transport der Baumaterialien müssen nicht selten neue Wege angelegt oder Helikopter gemietet werden. „Das ist aufwendig und kostenintensiv. Der Rest läuft wie unten.“
Der Neubau der Alpe Gampaping befindet sich in der Nähe der Lifttrasse der Heimspitzbahn auf 2100 m Seehöhe im Skigebiet Silvretta Montafon in exponierter Lage. Unter einem gemeinsamen Dach wurden eine Alphütte und ein Freilaufstall in einem Baukörper zusammengefasst. Der Stall wurde in Holzriegelbau- weise auf einem Beton- sockel und einer betonierten Wand zur Bergseite aufgebaut. Nach rund einem Jahr Betrieb sind nur wenige Benutzungsspuren zu sehen. „Der Stall ist zum Schutz des Viehs gedacht, etwa um die Kühe bei schlechter Witterung unterbringen zu können. Das war bisher nicht nötig. Im Idealfall sind die Kühe draußen auf der Weide.“ Von der Hütte aus gibt es eine Verbindungstür mit kleiner Schleuse, „damit wir den Schmutz nicht überall hintragen.“ Auf der Alpe Gampaping gibt es keinen Sennereibetrieb und auch kein Angebot für Wanderer. „Wir kümmern uns um das Vieh und die Kulturlandschaft. Das ist unser Auftrag.“
Der Stall ist hangseitig in das Gelände eingebettet, Wohntrakt und Vorplatz wenden sich dem hochalpinen Panorama zu, das sich einem beim Blick aus dem Fenster präsentiert. „Wer hier arbeitet, schaut freilich nicht oft aus dem Fenster, höchstens um zu schauen, wie das Wetter ist.“ Die Hütte wurde mittels dreischaliger Außenwandkonstruktion wärmegedämmt. Die Wände aus Kreuzlagenholz sind als innere Tragschale sichtbar und mit Kerndämmung und einer Strickwand außen ausgeführt. Alle Holzteile sind unbehandelt. Der natürliche Baustoff ist sichtbar und altert mit der Zeit. Im Innenausbau wurde auf jede Art von zusätzlicher Verkleidung verzichtet, was sich auch auf die Baukosten ausgewirkt hat, die man so niedrig wie möglich halten wollte und musste. Die Decken sind als Holzdielen- decken ausgeführt, der Boden als Holzriemenboden. Ein Durchheizherd mit Heizwand sorgt für behagliche Wärme, im Notfall – also bei besonderer Kälte – kann mit einer Elektroheizung dazugeheizt werden – „was, wenn möglich, nicht vorkommen sollte. Wir sind gewohnt, für das Funktionieren des Alltags zu sorgen – einheizen gehört da dazu.“
Die äußere Form ist einfach und traditionell. „Das ist ein Wirtschaftsgebäude“, betont Hans Hohenfellner. „Wir haben miteinander möglichst viel aus der Aufgabe herausgeholt, haben auf das Notwendige reduziert und dennoch einen guten Raum geschaffen, der eine angenehme Atmosphäre schafft.“ Im Winter drückt der Schnee mit seiner Last auf das Dach – die Verschindelung wurde daher mit Aluminiumschindeln vorgenommen. Hans Hohenfellner ist im Montafon aufgewachsen. „Als Architekt interessiert mich, was angemessen ist. Der Bauaufgabe entsprechend wurde versucht, auf die Grundbedürfnisse einzugehen, funktionale und ökonomische Interessen in den Vordergrund zu stellen und eine einfache Architektursprache zu wählen.“ Auflagen gab es auch hier genügend. „Das ist auch gut so. Wir sind hier knapp unterhalb 2100 Metern. Es geht hier auch darum, welchen Einfluss das Bauwerk, aber auch das Bauen selbst, auf die Natur hat.“
Daten und Fakten
Objekt: Alpe Gampaping, St. Gallenkirch
Eigentümer/Bauherr: Agrargemeinschaft Alpe Gampaping
Architektur: Hans Hohenfellner, Feldkirch www.hohenfellner.at
Statik: DI Christian Gantner, Bludenz
Fachplaner: Bauphysik: Dr. Lothar Künz, Hard Kanal/Wasser/Wegebau: Tschabrun Ingenieur, Schlins
Planung: 11/2014– 5/2015
Ausführung: 5/2015–10/2015
Wohnnutzfläche: 101 m²
Nfl. Stall/Tenne: 202 m²
Bauweise: Wohnteil: KLH 12 cm innen Sicht, Dämmung Mineralwolle 16 cm; Blockwandschalung 6 cm; Holzdielendecken mit Holzriemenboden; Innenwände KLH Sicht; Warmdach mit Prefa-Eindeckung; Durchheizherd mit Heizwand; Wirtschaftsteil: Stahlbetonwände erdberührt; Holzfachwerk Konstruktion mit Deckelschirmschalung; Holzdielendecke; Kaltdach mit Prefa-Eindeckung
Besonderheiten: GU-Ausführung sämtlicher Arbeiten durch Fritz Holzbau, Baumeister- und Aufschließungsarbeiten durch Gebrüder Vonbank
Ausführung: Gebrüder Vonbank, Schruns; Zimmerer: Fritz Holzbau, Bartholomäberg-Gantschier; Fenster: Brugger, Schruns; Innenausbau: Kunsttischlerei Juen, St. Gallenkirch; Holzböden: Fritz Holzbau, Bartholomäberg-Gantschier; Heizung/Lüftung: Harald Vonier, Tschagguns; Elektro: Alexander Kasper, Gortipohl; Spengler/Dachdecker: Stemer, Schruns; Fliesen/Estrich/Ofen: Hermann Stemer, Schruns
Baukosten: (1–6) ca. 820.000 Euro brutto, (davon 305.000 Euro für die Aufschließung)
Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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