Das Gebäude ist vielen unbekannt und wenn man die Bilder dieses Terrassenhauses sieht, würde kaum jemand es in Dornbirn vermuten. Auch wenn man die Schwierigkeiten kennt, unter denen die Vorarlberger Pioniere des modernen Bauens Einfamilienhäuser und kleine Wohnanlagen errichtet haben, hält man die Realisierung eines solchen gewaltigen, siebenstöckigen Bauwerks für schier unmöglich. Doch es baut letztendlich auf der Vorarbeit dieser Pioniere auf und hat selbst einiges bewirkt. Beim Terrassenhaus in der Goethestraße hat es prompt den Weg in die zweite Instanz gebraucht – damals die sehr architekturfreundliche Raumplanungsbehörde – und eine neue, bis heute übliche Auslegung der Baugesetze, um die Abstandsflächen für die zurückspringenden Geschoße nachzuweisen. Es hat auch der ungebrochenen Energie und der Frische eines gelernten Maschinenbauers bedurft, um aus der vagen Kenntnis von internationalen Vorbildern eine so ideenreiche und doch hochfunktionelle Architektur zu planen. Unbeeinflusst von klassischen Architekturausbildungen hat Herbert Bereiter mehrere Terrassenhäuser geplant, die einfach und genial um Grundgedanken komplexe Raumgebilde geschaffen haben, die bis heute ausgezeichnet zu bewohnen sind.
Eine Landschaft bewohnbar zu machen, war der Ausgangspunkt des unmittelbaren Vorgängerprojekts von Herbert Bereiter. In Schwarzach hat er einen ganzen Hang mit einem langgestreckten Teppich von fein differenzierten Wohnbauten besetzt. Er hatte damals eine Option auf das Grundstück erwirkt, einen Entwurf gemacht und ein Modell gebaut. Eine Anzeige in den Vorarlberger Nachrichten hat dieses Projekt beworben. Selbstbewusst erzählt der Pensionist noch heute, wie er an einem einzigen Abend im Gasthof Sonne in Schwarzach rund 30 Wohnungen verkauft hat. Von diesem Projekt, das er 1968 fertig gestellt hatte, blieben noch sehr viele Interessenten über, die er wiederum für das Terrassenhaus in Dornbirn kontaktiert hatte. Und auch hier gelang es ihm, in kurzer Zeit das Haus rasch an die Bewohner zu vermitteln.
Das Konzept war bestechend und klingt auch heute noch modern. Mit der damals für Vorarlberg völlig neuen Bauweise eines Betonskeletts – d. h. Betondecken, die fast ausschließlich von Stützen getragen werden, konnte er Geschoßflächen frei zum Verkauf anbieten. In einem Raster von drei Metern standen die Betonsäulen. Die Wohnungen und Räume wurden von massiven Gipswänden unterteilt. 24 Wohnungen, die immer wieder unterschiedlich waren, entstanden auf diese Weise. Im Alleingang hat er auch die unterschiedlichen Wünsche und Anforderungen der Käufer und Bewohner aufgeteilt und musste freilich bei diesem „architektonischen Schachspiel“ darauf achten, dass keine unverkäuflichen Flächen übrig blieben. Doppeldecken, in denen die Installationen frei verlegt werden konnten, sicherte ihm überdies die völlige Flexibilität in der Positionierung der Bäder und Küchen.
Eine Vielzahl von Ideen wurde realisiert, die teilweise erst Jahrzehnte später Anwendung oder Verbreitung fanden. So die einspringenden Balkone, die wunderbare Außenzimmer schaffen und den Wohnraum sehr vorteilhaft gliedern, wurden 25 Jahre später zum bewährten Grundrissschema. Die Basis bildet eine Tiefgarage. Von dort gelangt man über einen einzigen Lift nach oben. Das Erdgeschoß wurde mit Geschäften und Büros belegt, die auch von außen zugänglich waren. Breite, umlaufende Terrassen, die durch die Rücksprünge entstehen, sind die Markenzeichen der Wohnungen. Die unbelichteten Flächen in den unteren Wohngeschoßen, die im Inneren der Pyramidenform entstehen, werden klug für Abstellräume genutzt, die sich vorteilhaft nicht in einem Keller, sondern auf dem selben Niveau befinden. Die Fensterflächen wurden so konstruiert, dass sie als Ganzes eingefügt und auch wieder ausgebaut werden können. Eine Flexibilität, die aber selten genutzt wurde.
Die Vielfalt und die Wohnlichkeit dieses Gebäudes beeindruckt noch heute und die grüne Landschaft inmitten von Dornbirn zeigt eine wegweisende Lösung, wie individuelles Wohnen mit hoher Dichte und größter Wertigkeit realisiert werden kann. Eine Vielfalt, die übrigens auch der Planer selbst mit Blick zurück auf ein erfülltes Leben voller Ideen im Baugeschehen von heute vermisst.
Daten & Fakten
Objekt: Terrassenhaus Goethestraße, Dornbirn, Geschoßwohnbau in Terrassenform
Planung: Herbert Bereiter, Schwarzach
Grundstücksgröße: 3250 m²
Wohnnutzfläche: 2300 m²
Planungsbeginn: 1969
Fertigstellung: 1972
Bestandsgerechte Sanierung: Arch. Wolfgang Ritsch, 2008
Baufirma: Firma Fussenegger
Heizung: Fußbodenheizung mit Ölzentralheizung
Tiefgarage: 28 Stellplätze
Konstruktion: Stahlbetonskelettbauweise mit massiven Stahlbetondecken und Stützen
Zwischenwände: Gips, massiv
Decken: Stahlbetondecken mit Doppelböden zur freien Positionierung der Nasszellen und zur besseren Schalldämmung
Leben & Wohnen
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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