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Das Bregenzer „Wasserauto“

Interessiert verfolgten zahlreiche Schaulustige die Wasserung am 8. September 1917
Interessiert verfolgten zahlreiche Schaulustige die Wasserung am 8. September 1917 ©Sammlung Rupp
Der Schweizer Ing. Carl Bitz konstruierte vor 100 Jahren ein spezielles Wasserfahrzeug
Das Bregenzer "Wasserauto" von 1917

1917 – die Welt befand sich bereits im vierten Kriegsjahr, als Ing. Carl Bitz, Technischer Direktor der „Elektra“ in Bregenz, ein eigenartiges Wasserfahrzeug konstruierte, welches vor 100 Jahren im Bregenzer Hafen erstmals getestet wurde. Durch seine besondere Konstruktion gab es keinen Stapellauf sondern eine Wasserung per Kran.

 

Das Wasserauto

Die autoförmige Karosserie ruhte auf zwei seitlich angebrachten fünf Meter langen Schwimmern, zwischen denen am Bug des Fahrzeuges ein dritter, kleinerer Schwimmer angebracht war. Dieser tauchte ganz ins Wasser ein und diente zum Steuern des „Wasserautos“. Da die nach unten und seitlich geschlossene Karosserie keine Berührung mit dem Wasser hatte, gab es „für die Fortbewegung besonders günstige Verhältnisse“, wie in der Patent-Anmeldung angeführt wurde. „Überdies wird durch die Form und Lage der Schwimmkörper die Wirkung des Wellenganges bzw. der Sturzwellen in der Längen- und Querrichtung des Fahrzeuges nahezu völlig unschädlich gemacht.“ Die torpedoähnlichen, zylindrischen Schwimmkörper aus Metall waren an ihrer Bugseite schlanker als am Heck, somit sollte ein leichteres Gleiten bzw. ein kleinerer Kraftaufwand gewährleistet werden. Der Antrieb erfolgte per Schiffschraube, angetrieben von einem Benzinmotor.

 

Der Konstrukteur

Ing. Carl Bitz wurde 1887 in Basel geboren. Nach einer vierjährigen Lehrzeit als Elektromechaniker absolvierte er 1909 das Kantonale Technikum in Burgdorf und arbeitete anschließend als Elektriker in einer großen BaslerTextilfärberei. Dann zog es den jungen Schweizer Ingenieur in die USA, wo er dreieinhalb Jahre bei Cutler-Hammer in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin arbeitete, wo elektrische Kontrollapparate für die Industrie hergestellt wurden. Mehr als 1 Jahr sammelte Bitz Erfahrung im Konstruktionsbüro dieser Firma, bevor er dann für zwei Jahre ins Konstruktionsbüro wechselte. Ende April 1914 – wenige Monate vor Beginn des 1.Weltkriegs – kehrte Carl Bitz in seine Heimat zurück.

 

Im Januar 1915 übernahm Carl Bitz zunächst provisorisch die technische Leitung der Firma „Elektra-Bregenz“, die während des Krieges auch Rüstungsgüter wie etwa Geschosse herstellte. Ab 1916 übernahm er die Chefstelle definitiv, nachdem der vormalige Leiter Paul Vogt als Soldat an der Frankreich-Front vor Verdun fiel. Carl Bitz war während der Kriegsjahre für weitere 16 Munitionsbetriebe in Vorarlberg zuständig. Nach seiner Zeit bei „Elektra Bregenz“ machte sich Bitz 1927 mit einem Elektrotechnik-Büro selbstständig.

 

Die Probefahrt

Am 8. September 1917 hatte sich im Bregenzer Hafen eine interessierte Zuschauermenge versammelt, um der ersten Erprobung des „Wasserautos“ beizuwohnen. Nachdem es mittels Kran im Hafenbecken schwamm, meinte ein Beobachter: „Das ganze Fahrzeug bietet während der Fahrt ungefähr den Anblick eines vierplätzigen Autos.“

Die Zuschauer waren etwas enttäuscht, da das schwimmende Objekt nur mit der bescheidenen Geschwindigkeit von etwa 5 km/h im Wasser dahindümpelte. An ein schnelleres Fortkommen war nicht zu denken, da weder der 16-PS-Motor noch der sonstige Mechanismus betriebsfähig bzw. endgültig montiert waren. Diese erste Probefahrt diente lediglich der Feststellung des Schwerpunktes und der Lage im Wasser, wobei sich herausstellte, dass die Spitze des Bootes zu tief im Wasser lag.

Von weiteren Probefahrten ist – nach derzeitigem Wissensstand – nichts bekannt. So verschwand die Konstruktion von Ing. Carl Bitz nach vermutlich nur einer Probefahrt in den Werkhallen der „Elektra Bregenz“, wo weiterhin mit Hochdruck an der Produktion von Geschosshülsen für die Böhlerwerke in Kapfenberg gearbeitet wurde, da der 1. Weltkrieg noch rund 14 Monate andauern sollte. So blieben vom „Bregenzer Wasserauto“, das vor 100 Jahren gebaut wurde, lediglich einige interessante Fotos, persönliche Notizen sowie die Konstruktionspläne der Nachwelt erhalten.

 

Carl Bitz war beruflich sehr erfolgreich, stellte nach Kriegsende den Betrieb der „Elektra“ wieder auf die Apparatefabrikation um, wobei ihm die in den USA gemachten Erfahrungen zugutekamen. Zudem führte er ein neues Kalkulationssystem ein und erreichte für die „Elektra“ zehn österreichische, fünf deutsche, drei schweizerische, und drei italienische Patente sowie ein tschechisches Patent.

 

Schweizer Konsul

Jahrelang war der ideenreiche Konstrukteur auch der Präsident des Schweizer Vereins in Vorarlberg. 1936 wurde Bitz schweizerischer Konsularagent in Bregenz, 1939 erfolgte die Ernennung zum schweizerischen Konsul für Tirol und Vorarlberg. 1946/47 wurde Carl Bitz zum Berufskonsul ernannt – ein Amt, das er bis 1952 ausübte. 1964 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen des Landes Vorarlberg. In den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkrieges ermöglichte er rund 10.000 Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen den Grenzübertritt in die Schweiz.

Carl Bitz starb am 20. Februar 1966. Der damalige Landeshauptmann Dr. Herbert Keßler erklärte, dass „Vorarlberg und seine Bevölkerung einen großen Freund verloren“ habe und wies „auf die große menschliche Haltung und auf die beispiellose Einsatzbereitschaft dieses Mannes in den Zeiten der Kriegsnot und in der schweren Nachkriegszeit“ hin.

 

E-mail: w.rupp@aon.at

 

 

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