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Dampfend und schnaubend in die Vergangenheit

Die rote Diesellok führt den Zug an.
Die rote Diesellok führt den Zug an. ©Neue/Roland Paulitsch
Bei einer Fahrt mit dem Wälderbähnle spüren die Fahrgäste den Hauch vergangener Zeiten, sie fahren gemütlich an mächtigen Felsen vorbei, zuckeln durch Wiesen und Wälder. Heiß geht es hingegen im Führerstand her: 60 Grad.

Bereits 20 Minuten vor der Abfahrt tummeln sich an die 50 Personen – von Jung bis Alt ist alles vertreten – am Bahnsteig der Museumsbahn in Bezau. Sie begutachten die schmucken, moosgrünen Waggons oder lassen sich davor fotografieren. Plötzlich zischt es laut, viele Blicke wandern in die Richtung, aus der das Geräusch kommt: Die kohlrabenschwarze Dampflokomotive hat ihren ersten Auftritt. Die Fahrgäste schauen gebannt zu dem 110-jährigen Dampfross.Ein kleines Mädchen mit gel­bem Rüschenkleid vergisst vor lauter Staunen, den Mund zu schließen: Die U25 „Bezau“ schnaubt und dampft, dichter, schwarzer Rauch steigt aus ihr empor. Der Geruch von Feuer und Kohle erfüllt die Luft.

1300 Grad C

Das 200 PS starke Gefährt hat bereits einen langen Aufwärmlauf hinter sich: Fünf Stunden vor der ersten Fahrt beginnt der Heizer mit seiner Arbeit. Erst füttert er das betagte Dampfross, das schon im Eröffnungsjahr der Bregenzerwaldbahn 1902 gefahren ist, mit Holz, danach mit Kohle. Wenn im Heizkessel etwa 1300 Grad C herrschen, hat die Lok ihre Betriebstemperatur erreicht. Durch das Zusammenspiel von Feuer, Druck und Wasser entsteht der Dampf. Er ist der einzige Antrieb des Zuges und kann etwa 100 Tonnen mit einer Geschwindigkeit von 20 Kilometer pro Stunde bewegen.

Heute jedoch – das Wälderbähnle ist mit zehn Waggons und etwa 300 Fahrgästen vollbesetzt – wiegt der Zug mehr. Das schafft die Dampflok alleine nicht, ein zweites Ross wird vor den Karren gespannt: die rote, 72-jährige Diesellokomotive mit 210 PS. Sie führt das Bähnle an, direkt hinter ihr schnaubt die Dampflokomotive.

Schließlich ist es soweit: Aus einer Trillerpfeife ertönt ein schriller Pfiff, der Schaffner am Gleis hebt als Signal für die Abfahrt die grüne Kelle und springt dann schnell auf das Trittbrett eines Waggons. Mit einem leichten Ruck setzt sich der Zug in Bewegung. „Oh, jetzt geht’s los!“, ruft ein Bub und klatscht in die Hände. Auch wenn das Bähnle viele Jahre auf dem Buckel hat – der Zustand der Schienen ist tipptopp, die Museumsbahn ruckelt deshalb nicht viel stärker als ein moderner Zug. Allerdings fährt sie mit ihren 20 Sachen wesentlich langsamer. Die meisten Fenster in den hellen, mit Holz verkleideten Waggons sind sperrangelweit offen, von vielen Fahrgästen ist nur noch der Rücken zu sehen: ihre Köpfe sind im Freien. Diese Bähnlefahrer lassen sich den Fahrtwind um die Ohren streifen und beobachten in den Kurven die beiden Loks vorne: Die Dampflok stößt schwarzen Rauch aus, er schlängelt sich bis zu den hinteren Waggons zurück. Aber auch die Fahrgäs­te, die ihren Kopf im Wagen­inneren behalten, bekommen entlang der Strecke Bezau–Schwarzenberg genug zu sehen: Mal fährt der Zug durch hellgrüne Wiesen, auf denen vereinzelt Bregenzerwälder Holzhäuser stehen, mal rattert er durch einen dunkelgrünen Tannenwald. Die Bregenzer­ache fließt an manchen Stellen munter neben der Bahn dahin, bei einer Brücke tief unter ihr.

Kaum Schwarzfahrer

Ein mit tiefem Bass vorgetragenes „Grüß Gott, die Fahrkarten bitte!“ lenkt die Aufmerksamkeit kurz wieder in den Waggon zurück. Peter Stumpf, ein Mann mit blauer Uniform, dunkelblauer Krawatte und dunkler Schirmmütze, beginnt die Fahrkarten zu knipsen. Gibt es im Wälderbähnle denn auch Schwarzfahrer? „Eigentlich nicht“, sagt der Schaffner. „Und bei denen, die ich erwische, drücke ich ein Auge zu“, erklärt er und lacht.

Schaffner Stumpf lebt in Waltenhofen im Allgäu und kommt zirka einmal pro Monat nach Bezau, um beim Wälderbähnle Dienst zu tun – ehrenamtlich, wie alle anderen 30 aktiven Mitglieder des Museumsvereines auch.

1983 stellte die Bregenzerwaldbahn, die ab 1902 die Strecke Bezau–Bregenz bedient hatte, ihren Betrieb endgültig ein. 1985 gründeten einige Engagierte den Verein „Bregenzerwaldbahn-Museumsbahn“, um die Bahn und die Strecke in Teilabschnitten zu erhalten. 1987 rollte das erste Zügle auf der Museumsstrecke Bezau–Schwarzenberg.

Zu dem Zeitpunkt hatte die ÖBB – die ehemalige Betreiberin der Bregenzerwaldbahn – alle Lokomotiven bereits verkauft, der Verein konnte im Laufe der Jahre jedoch fast alle wieder erwerben.

Wälderbahn-Lied

Mit einem gut gelaunten „I winsch ei no an schönen Dag und guade Fahrt!“ verlässt Schaffner Stumpf den Waggon. Im nächsten kommt er mit seinem Allgäuer-Dialekt nicht weit: Eine Gruppe Franzosen hat es sich hier gemütlich gemacht. „Magnifique“ – wundervoll – sei das Bähnlefahren. Nach einer Erklärung der Reiseleiterin halten die französichen Gäste brav ihre Tickets hin und als Schaffner Stumpf das letzte abgezwickt hat, ist er fertig mit seiner Arbeit: Im Rest der Waggons kontrolliert sein Kollege Jakob Bobleter aus Hittisau. In einem dieser Abteile singt eine Frau aus Bludenz leise eine Strophe des bekannten Wälderbahn-Liedes: „Zwüschod Lango-Doro, zwüschod Lango-Doro hat ’s Wäldarbähnle Käs vorloro“. Manchmal, so erzählt der stellvertretende Betriebsleiter und Schaffner Bobleter, fahren Gruppen mit, die das ganze Lied lautstark und schön zum Besten geben. Richtig berührend sei das. Bobleter, einer der Gründer des Museumsvereines, kennt die Bahn schließlich noch aus ihren aktiven Zeiten: Damals arbeitete er in der Werkstatt.

„Usse gong ga scholto, usse gong ga scholto, dom Heizar ischt scho ’s Für arkoltot“, lautet eine weitere Strophe des Wälderbahn-Liedes. Das passiert heute aber nicht – dafür sorgt Heizer Michael Slee aus Nenzing. Auf 1400 Grad C hat er den Kessel heute geheizt, in dem zwei Meter hohen Führerstand der Dampflok herrschen Temperaturen von 50 bis 60 Grad C. Aushalten lässt sich das nur durch viel Wasser trinken, die Einnahme von Magnesium sowie Kalzium – und der Faszination fürs Zugfahren. „Das hat mich schon als Bub sehr interessiert“, sagt Heizer Slee. Während er hin und wieder eine Schaufel voller Kohlen in den Heizkessel wirft, ist Lokführer Egon Häfele aus Hohenems vollauf damit beschäftigt, die vor ihm fahrende Diesellokomotive zu beobachten. Diese gibt das Tempo an und bremst. Häfele darf sich mit seinem Dampfross weder von der Diesellok ziehen lassen noch sie anschieben – er muss seine Leistung genau an die vordere Lokomotive anpassen.

Nach etwa 20 Minuten erreicht das Wälderbähnle in Bersbuch den Bahnhof „Schwarzenberg“. Der Zug selbst kann hier nicht umdrehen, also werden die beiden Lokomotiven abgehängt, an den Waggons vorbeigeführt und in Fahrtrichtung Bezau an den Anfang des Zuges gestellt. Bald schon zuckelt das Wälderbähnle zurück in Richtung Bezau. Wieder lassen sich die Fahrgäste den Wind um das Gesicht streichen, sie bewundern die Landschaft oder gönnen sich im Bordrestaurant – der „Wälderschenke“ – ein kühles Getränk. Als die Fahrt schließlich zu Ende ist, denkt sich wohl so mancher Fahrgast wehmütig: „Fahr ma no a kläle, fahr ma no a kläle, mit dom Wäldar Isobähnle“.

(Neue)

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