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Charisma und Tradition - vor zehn Jahren starb Johannes Paul II.

Die Weltjugendtage gehen auf Johannes Paul II. zurück.
Die Weltjugendtage gehen auf Johannes Paul II. zurück. ©APA
Er war der Papst, der aus dem Osten kam, dessen Erfahrung mit zwei Diktaturen sein Leben und Denken bestimmte. Viele seiner polnischen Landleute sind bis heute überzeugt, dass das Ende des Kommunismus auch ihm mit zu verdanken war.

Der Redakteur des polnischen Nachrichtensenders TVN 24 rang um Fassung, als er am 2. April 2005 die Nachricht verlas, die nicht nur in Polen seit Tagen erwartet worden war: “Es ist geschehen. Johannes Paul II. ist tot.” Dann wurde der Bildschirm für ein paar Minuten schwarz. Die katholische Kirche hatte ihren Oberhirten verloren. Für viele Polen war es, als sei ein geliebtes Familienmitglied gestorben. Auch Atheisten betrauerten den Tod des polnischen Papstes. Hunderttausende pilgerten zu seiner Beerdigung nach Rom, so wie sie einst zu den Messen auf seinen Pilgerreisen geströmt waren.

Zehn Jahre später sind die Gedenkfeiern für den im vergangenen Jahr heiliggesprochenen Johannes Paul selbst in Polen kleiner und bescheidener geworden. Die Gegenwart, die Erwartung des Polen-Besuchs von Papst Franziskus zum Weltjugendtag 2016 in Krakau, überlagert die Erinnerung an die Vergangenheit. Die Welt blieb nicht stehen in der Todesstunde von Karol Wojtyla.

Rückblick auf Pontifikat ist nüchterner geworden

Der Rückblick auf das Pontifikat ist auch in Polen nüchterner geworden. Vieles wird noch immer bewundert und respektiert, etwa das öffentliche Leiden des Papstes, der Krankheit und Alter nicht versteckte. Immer deutlicher fällt dagegen die Kritik an Schweigen und Passivität angesichts der Missbrauchsskandale während des Pontifikats des Polen aus.

Karol Wojtyla, seit 1978 der erste Pole auf dem Peterthron, der erste Nicht-Italiener seit Jahrhunderten, brachte in mancher Hinsicht frischen Wind in die Kirche. Ein Papst, der nicht hinter den Mauern des Vatikans blieb, sondern in die Welt zog. Ein Papst, der zu Beginn seines Pontifikats Ski fuhr und sich für Fußball begeisterte. Ein Papst voller Charisma und mit einem herzlichen Lachen, der auf die Menschen zuging – wie heute Franziskus. Daran änderte auch ein Attentat auf ihn 1981 auf dem Petersplatz nichts.

Eiserner Wille und streng konservative Ansichten

Dass sich hinter diesem Lächeln auch ein eiserner Wille und streng konservative Ansichten befanden, merkten alle, die auf eine Liberalisierung der Kirche hofften, schon sehr bald. Ob es um Predigtverbote für Anhänger der “Theologie der Befreiung” ging oder um eine Abschaffung des Zölibats – Johannes Paul II. setzte auf Tradition. In den 26 Jahren seines Pontifikates, einem der längsten der Kirchengeschichte, stärkte er den konservativen Flügel der Kirche. Ein großer Teil der heutigen Bischöfe in aller Welt wurden von ihm ernannt.

Der Papst aus dem Osten, dessen Wahlspruch “Fürchtet Euch nicht” lautete, setzte aber auch neue Maßstäbe im Dialog der Religionen. Er besuchte als erster Papst die Synagoge von Rom – und später auch eine Moschee – er betete an der Klagemauer, verurteilte den Antisemitismus in der Kirche. Während Jahrhunderte lang Kirchenvertreter Juden als “Mörder Christi” bezeichnet hatten, sprach Johannes Paul II. von den “älteren Brüdern im Glauben”. Sein “Mea Culpa” im Jahr 2000 war ein Schuldbekenntnis für die Verfehlungen der Kirche wie Glaubenskriege, Inquisition und Judenverfolgung.

Von Diktaturen und nationalsozialistischer Besatzung geprägt

Die Erfahrung mit zwei Diktaturen, der nationalsozialistischen Besatzung im Zweiten Weltkrieg und dem Kommunismus der Nachkriegszeit, hatten den 1920 im südpolnischen Wadowice geborenen Karol Wojtyla geprägt. Bei seiner ersten Pilgerreise in die damals noch kommunistisch regierte Heimat im Jahr 1979 rief Johannes Paul vor Hunderttausenden auf dem Warschauer Siegesplatz: “Dein Geist komme und erneuere die Erde – diese Erde!”

Viele Polen sahen das als Aufruf, das System zu ändern. Ein Jahr später streikten die Arbeiter auf der Danziger Werft, ein Jahrzehnt später fiel die Berliner Mauer. Die Veränderungen in Ostmitteleuropa hatten ihren Ausgang in Polen.

Doch auch Kapitalismuskritik war Johannes Paul II. nicht fremd. Er haderte mit Materialismus und Egoismus, kritisierte die Ausnutzung der Ärmsten der Welt, ergriff das Wort gegen die Todesstrafe und gegen den Irakkrieg. Die Weltjugendtage gehen auf Johannes Paul II. zurück, der in seiner Jugend Theater spielte. Die große Inszenierung vor und die Kommunikation mit den Massen beherrschte er auch als Kirchenoberhaupt exzellent.

Erinnerung an Papst Johannes Paul II.

(dpa)

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