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Türkei warnt vor "Religionskriegen" in Europa

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Die Türkei hat die EU erneut scharf angegriffen und vor "Religionskriegen" in Europa gewarnt. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach Kopftücher am Arbeitsplatz verboten werden können, warf Präsident Recep Tayyip Erdogan Europa vor, "einen Kampf Kreuz gegen Halbmond" angefangen zu haben. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sprach am Donnerstag von "Religionskriegen" in Europa.
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Erdogan sagte vor Anhängern im westtürkischen Sakarya mit Blick auf die Niederlande, “das ist der neue Nationalsozialismus”. Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU stecken wegen des Eklats um Wahlkampfauftritte türkischer Minister in den Niederlanden in der Krise. Die Türkei stimmt am 16. April in einem Referendum über ein Präsidialsystem ab, das Erdogan mehr Macht verleihen und das Parlament schwächen würde.

Vorwurf der Geschichtsverfälschung

Erdogan verbat sich eine Einmischung: “Ich appelliere an diese Europäer. Was geht Euch das Referendum in der Türkei an? Was kümmert es Euch?”, sagte er. Europa hatte nach wiederholten verbalen Attacken aus der Türkei in den vergangen Tagen zur Mäßigung aufgerufen, dennoch lastete Erdogan den Niederlanden wieder das Srebrenica-Massaker in Bosnien-Herzegowina an. “Schande über deren Demokratie. Schande über Eure Rahmenbedingungen der Europäischen Union und Eure Werte! Schande über Eure Justiz und Gerechtigkeit”, rief Erdogan der jubelnden Menge zu.

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hatte den Massaker-Vorwurf schon am Dienstag als “widerliche Geschichtsverfälschung” zurückgewiesen. Tatsächlich hatten das Massaker in Srebrenica im Juli 1995 bosnisch-serbische Truppen verübt. Niederländische Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen hatten den Angreifern die Stadt zuvor allerdings kampflos überlassen.

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“Die Türkei befiehlt…”

Cavusoglu sagte, Europa werde schon lernen, wie man mit der Türkei umzugehen habe. Ansonsten werde die Türkei es Europa beibringen. “Ihr werdet von Eurem befehlenden Diskurs absehen. Die Türkei befiehlt”, sagte er. Die Türkei sei die “Umma”, die weltweite Gemeinschaft von “zwei Milliarden” Muslimen. “Deshalb könnt Ihr mit der Türkei nicht im Befehlston sprechen. Ihr müsst anständig reden, Ihr könnt um etwas bitten.”

Im Fall des “Welt”-Korrespondenten Deniz Yücel, der vor mehr als zwei Wochen verhaftet wurde, verwies Erdogan erneut auf die “Unabhängigkeit” der türkischen Gerichte. “Egal, was für ein Staatsbürger er ist. Wer Terror in der Türkei verbreitet und heimlich Spionage betreibt, muss dafür bezahlen”, sagte er. Yücel, der die deutsche und türkische Staatsbürgerschaft besitzt, wird Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen.

Einführung der Todesstrafe immer noch geplant

Die ehemalige deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat der Türkei vorgeworfen, bei der Inhaftierung von Journalisten das eigene Recht zu ignorieren. “Nach dem türkischen Pressegesetz kann ein Journalist wegen strafrechtlich relevanter Äußerungen nur bis vier Monate nach dem Erscheinungstermin verfolgt werden”, sagte die FDP-Politikerin der “Welt” (Freitag). Viele inkriminierte Artikel seien aber älter. Um einen Terrorvorwurf zu konstruieren, “wird teilweise sogar das türkische Recht ignoriert.”

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) befürchtet, dass derzeit in der Türkei inhaftierten politischen Gefangenen künftig die Todesstrafe drohen könnte. Erdogan habe eine Zustimmung zu seinem Präsidialsystem bei der Volksabstimmung am 16. April mit der Todesstrafe verknüpft, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Aussendung.

Flüchtlingsabkommen in der Schwebe

Ein Jahr nach Abschluss des Flüchtlingspakts mit der EU drohte die Türkei zudem mit dessen Aufkündigung. Das Abkommen werde neu bewertet, sagte Cavusoglu laut Anadolu am Mittwochabend in einem Interview des Senders 24 TV. Wenn Bedingungen wie die Visa-Freiheit für türkische Staatsbürger in der EU nicht erfüllt würden, dann könne das Abkommen aufgekündigt werden. Der am 18. März 2016 geschlossene Pakt zwischen Ankara und der EU sieht vor, dass die Türkei illegal nach Europa eingereiste Migranten nach deren jeweiligen Asylverfahren von den griechischen Inseln in der Ostägäis wieder zurücknimmt. Für jeden zurückgeschickten Schutzsuchenden aus Syrien nimmt die EU einen syrischen Flüchtling legal auf.

(APA/dpa)

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