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Bunte Steine

Zwischen riesigen Bäumen erhebt sich die neue Wohnanlage "Wohnen im Villenviertel" in Dornbirn-Oberdorf.
Zwischen riesigen Bäumen erhebt sich die neue Wohnanlage "Wohnen im Villenviertel" in Dornbirn-Oberdorf. ©Roswitha Natter
Dornbirn - Inmitten ehrwürdiger Baumriesen richten sie sich in Stufen zu voller Höhe auf, unbekümmert einander zugewandt – die beiden Baukörper in ihrem Kleid bunter Steine.
Leben & Wohnen in Dornbirn: Wohnanlage

Bestimmt wird der Eindruck von den sichtbar vermauerten „Backsteinen“, werkgerecht im Verband um alle Bauteile geführt im flachen Format des Vollziegels und in einer Farbigkeit, wie sie unsortiert beim Brennen anfallen – ofenbunt. Sichtmauerwerk, Ziegel – ist das im Ländle denn ein Thema? Ein Spaziergang zwischen Dornbirner Oberdorf und Zentrum mit seinen vornehmen Bürgerhäusern und Fabrikantenvillen zeigt ein breites Spektrum solcher Bauten von rotbraun bis ockergelb.

Sichtmauerwerk im Hausbau – eine Geschichte vom Ursprung des Bauens her, mit zahlreichen Brüchen. Das letzte Kapitel ist kaum zwei Jahrhunderte alt. Was für ein Weg von Schinkels Bauakademie über die schnelle Verbreitung dank Eisenbahn als Bahnhofsarchitektur, gefolgt vom Industriebau und von Gründerzeit-Villen bis hin zur Architekturreform; von struktiver Logik über ornamentale und polychrome Verkleidungslust bis zur Abstraktion bei Material und Bauteil. Nach der Tabuisierung durch die Glas-Metall- Moderne erlebt der Baustoff eine Rückbesinnung – eine Entwicklung ähnlich der beim Holzbau.

Hohe Belastbarkeit, Beständigkeit gegen Feuer und Wetter, Verfügbarkeit und leichte – soweit man’s kann – Verarbeitung: Argumente für den Baustoff. Als Gefüge aus kleinen Teilen von enormem gestalterischem Potenzial. Der Aufstieg parallel zur industriellen Revolution deutet sein Manko an der hohe Energiebedarf bei der Herstellung. Das gilt es abzuwägen gegen Einfachheit, Dauerhaftigkeit und hohe raumklimatische Qualitäten dank Speichervermögen.

Im gegebenen Fall wird die Wahl verständlich aus dem Kontext: Die genannten Gründerzeit-Villen liegen in der Nachbarschaft, aber auch anspruchsvolle Bauten in Sichtmauerwerk der neuen Vorarlberger Architektur. In jedem Fall: Solidität – Putzimitat auf Kunststoffschaum mit Algenbildung nach wenigen Jahren verbat sich. Das war der Bauträger „revital“ – spezialisiert auf hochwertigen Wohnbau – dem vormaligen Hauseigentümer aus der Hämmerle-Dynastie schuldig.

Bausubstanz und Raumprogramm gaben den Ausschlag, den Vorgängerbau durch zwei Neubauten mit insgesamt elf Wohnungen zu ersetzen. Wohnungsgröße, Orientierung zur Sonne, in den Obergeschoßen die Aussicht bis zum Bodensee, höchster Standard in Bauausführung und Ausstattung – das waren Vorgaben für den Architekten Christian Lenz. Und er zieht den Schluss: „Das Haus zeigt, dass nach einer Zeit bloß betriebswirtschaftlicher und energetischer Effizienz Architektur wieder einen Stellenwert hat.“

Das beginnt mit dem Baukörper: Entschieden, klar, doch gegliedert – in zwei Bauten, ungezwungen zueinander gestellt, wie es sich in diesem Wohnpark gehört, mit Durchblicken und Außenräumen. Ganz nebenbei wird so anschaulich, dass sich hier zwei Richtungen der Stadtentwicklung kreuzen. Und was die Baustelle als Lücke gerissen hat, werden die gepflanzten Bäume einst wieder schließen.

Architektur zeigt vor allem die Fassade. Sprechende Echtheit des Materials, dem seine handwerkliche Herstellung und Verarbeitung anzusehen ist, das nicht industriell gleichgemacht, sondern bis in Einzelne individuell bleibt – bunt eben. Was in seiner Prägnanz – Moorbrand torfbunt ist der Herstellername – keinen Fehler oder Ungenauigkeit verzeiht: „Der Läuferhalbverband, der jede Ecke, jeden Pfeiler, jede Öffnung festlegt, erzwingt eine ganz eigene gestalterische Disziplin“, so der Projektleiter Harald Nasahl, „und sichert höchste Qualität der Gebäudehülle mit Vormauerung, Hinterlüftung, 18 cm Steinwolle und tragender Betonwand.“

Materialkultur, die sich in den Holz-Alufenstern fortsetzt, aber auch im grünen Gneis der öffentlichen Böden außen wie innen, in der Bretterschalung der Betonwände der privaten Gartenbereiche, in Eichenpanelen und Glätteputz der Treppenhäuser mit sorgfältig detaillierten Treppenläufen und Stahlbrüstungen. Schließlich zeigt sich das in der Ausstattung der Wohnungen selbst, wozu gehört, dass den Bewohnern Mitgestaltung ermöglicht wird.

Zum Wohnungsstandard gehören großzügige Loggien mit erfreulicher Orientierung – wer auf den Blick Richtung Stadt verzichten muss, wird mit Bergkante und Breitenberg entschädigt. Der Brauchbarkeit dieser „Außenräume“ dienen bewegliche Gläser und die hohen, bergenden Brüstungen. Die wiederum unterstreichen den Eindruck von Verlässlichkeit, den das massive Äußere ausstrahlt. Wozu auch die Regelmäßigkeit gehört, wo Öffnungen vorherrschen und die geschlossene Wand, wo einfache Fenster ausreichen. Kaum Struktur, kein geometrisches Spiel, nur die Farbigkeit des Volumens.

„Materielle und handwerkliche Qualität sowie körperhafte Plastizität mit erkennbaren Details begründen Dauerhaftigkeit“, so Architekt Christian Lenz, „und gewähren mit dem wohlbedachten Bezug zum Außenraum Geborgenheit, Wohnwert und gestalterische Glaubwürdigkeit.“ Zum aktuellen „austrian brick and roof award“ darf gratuliert werden.

Daten & Fakten

Objekt: Wohnanlage „Wohnen im Villenviertel, Dornbirn-Oberdorf”
Bauherr: Revital Bauträger, Dornbirn
Architekt: DI Christian Lenz, Schwarzach www.christian-lenz.at
Projektleitung Revital Bauträger, DI Harald Nasahl
Tragwerksplanung: gbd, Dornbirn
Heizung+Sanitär Planung: Dorfinstallateur, Götzis
Elektroplanung: Dorfelektriker, Götzis
Bauphysik/Akustik: Spektrum, Dornbirn
Landschaftsplanung: DI Barbara Bacher, Linz
Planungsbeginn: 2010
Bau: 2011–2013
Grundstück: 2600 m² (davon 500 m² bebaut)
Geschoßfläche: 1600 m²
Kunst am Bau: Skulpturen von Herbert Albrecht und Gil Topaz
Energieverbrauch: 29 kWh/m² pro Jahr

Bauweise: Massivbau mit hinterlüfteter, bunter Klinkerfassade aus Moorbrand Torf; Heizung: Wärmepumpenheizung mit Erdwärmesonden; Trennwände innen massiv, andere Innenwände aus Gipskarton; Fenster: dreifachverglaste Holz-Alu-Fenster; Vorplatz, Stiegenhaus und Terrassen aus Naturstein in Dorfer-Grün

Ausführung: Baumeister: Wälderbau, Schwarzenberg; Elektroinstallation: Dorfelektriker, Götzis; Sanitär- und Heizungsinstallation: Dorfinstallateur, Götzis; Klinkerfassade: Clemens Albrecht, Sirnach/Schweiz; Zimmermann: Holzbau Böhler, Wolfurt; Fenster und Außentüren: Kurt Flatz, Alberschwende; Spengler und Dachabdichtung: Harald Schlachter, Hard; Naturstein: Bertram Lenz, Alberschwende; Holzfußböden: Wolfgang Fechtig, Dornbirn; Tischler und Innentüren: Elmar Dünser, Thüringerberg; Schlosser: Roland Feldkircher, Alberschwende; Maler: Manfred Klocker, Dornbirn; Sonnenschutz: Thomas Blank, Lustenau; Pflasterung: Reinhard Madlener, Dornbirn; Gartengestaltung: Reinhard Brunner, Höchst

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