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Kinder brauchen Grenzen und keine Tablets

WInterhoff bei seinem sehr gut besuchten Vortrag im Reichhofsaal.
WInterhoff bei seinem sehr gut besuchten Vortrag im Reichhofsaal. ©M. Zambanini
Bregenz/Lustenau. (hapf) Heranwachsende als „kleine Erwachsene“ zu behandeln ist für den deutschen Kinder- und Jugendpsychiater und Erfolgsautor Michael Winterhoff der falsche Weg. Damit würde die Kindheit abgeschafft und gehe dem Nachwuchs unwiederbringlich verloren. 
Vortrag Michael Winterhoff

Den Weltlehrertag am 3. Oktober nahm die Volkshochschule Bregenz gemeinsam mit Lehrerorganisationen (Christlicher Lehrervereins, GÖD-FCG, Vorarlberger LehrerInnen/deinepv, ÖPU, ÖAAB) zum Anlass, Michael Winterhoff zu einem Vortrag unter dem Titel „Die Wiederentdeckung der Kindheit“ in den Reichshofsaal in Lustenau einzuladen. „Gebt den Kindern ihre Kindheit zurück“, forderte dann auch provokant der 62-jährige Bonner Humanmediziner und Bestsellerautor die über 300 begeisterten Lehrkräfte, Kindergartenpädagogen und Interessierten auf.

Wir schaffen die Kindheit ab

Im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit habe er festgestellt, dass seit den 1990ern die Erwachsenenwelt von der digitalen Welt überrollt werde. Das belaste die Psyche und habe Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche: „In Deutschland schaffen wir die Kindheit ab, wir behandeln die Heranwachsenden als kleine Erwachsene.“ Eltern, Lehrer und Erzieher würden sich aus ihrer Rolle als Vorbild zurückziehen, würden mehr zum Partner, Freund und Kollegen des Kindes werden. „Das“, so Winterhoff, „überfordert beide Seiten und führt beim Kind zu schweren Störungen.“

Bildungspolitik auf Abwegen

Kein gutes Zeugnis stellt Winterhoff der Bildungspolitik aus: „Lehrer sind nicht mehr Lehrer, sie sind Lerncoaches. Sie führen nicht mehr, jedes Kind holt sich an der Lerntheke ab, was es will und die Leistungen sinken.“ Die Bildungspolitik am Beispiel Deutschland sei auf Abwegen: „Wir haben die Schreibschrift abgeschafft, und werden auch noch die Hausübungen und die Rechtschreibung abschaffen“, malt Winterhoff ein Bild, das eigentlich niemand wolle.

Kindern wird Kindheit genommen

Unbeschwertheit, Freiheit und Fürsorge seien die drei Dinge, die ein Kind brauche, um sich normal entwickeln zu können. „Wir Erwachsenen haben unseren Kindern Halt zu geben, haben ihnen aber auch Grenzen zu setzen.“ Grundschüler brauchten Lehrer, keinesfalls aber Tablets, so einer der Winterhoff’schen Merksätze. Mit heutigen Erziehungsmethoden im Zusammenklang mit einer verfehlten Bildungspolitik würde die Erwachsenenwelt die Kinder dazu verurteilen, ewig Kleinkind zu bleiben. „Damit schenk­en wir ihnen keine wunderbare Kindheit, sondern wir nehmen sie ihnen.“

Fehlgeleitete Reformpädagogen

Von interessanten Rückmeldungen von Pädagogen an Winterhoff wusste ÖAAB-Lehrerobmann Wolfgang Türtscher zu berichten: „Wir würden schon gerne tun, was Sie uns vorschlagen – aber wir werden oft von ‚zeitgeistigen Reformpädagogen’ daran gehindert, die Schülern nicht nur keine Grenzen setzen, sondern das auch bewusst nicht wollen!“

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