AA

Herbert Bösch im Interview: Die SPÖ muss sich selbst wieder finden

Herbert Bösch vermisst die sozialistische Ausrichtung in der SPÖ.
Herbert Bösch vermisst die sozialistische Ausrichtung in der SPÖ. ©APA, VOL.AT/Rauch
Bregenz - Herbert Bösch ist ein Urgestein der Vorarlberger Sozialdemokraten und kennt als oberster Korruptionsbekämpfer der EU auch diese in- und auswendig. Wir sprachen mit ihm über die Lage der SPÖ, Christian Kerns Chancen auf einen Wandel und das Verhältnis zur FPÖ.

“Ich bin der SPÖ beigetreten, nicht der ‘Kronen Zeitung'” – mit diesem Satz wandte sich der damalige EU-Abgeordnete Herbert Bösch 2009 gegen den damals neu eingesetzten Parteiobmann Werner Faymann. Der Bregenzer wandte sich immer gegen einen populistischen Kurs der Sozialdemokraten – was ihn damals seinen Sitz im EU-Parlament kostete. Dabei hatte er sich nicht zuletzt 1999 als Haushaltskontrolleur einen Korruptionsfall in der Kommission aufgedeckt, was im Rücktritt der gesamten Kommission endete. Bis heute ist der 61-Jährige im Untersuchungsausschuss der EU-Anti-Korruptionsbehörde OLAF.

Marc Springer: Herr Bösch, wir befinden uns in Bregenz, einer ehemaligen Hochburg der SPÖ. Die Situation in Vorarlberg ist nun eine andere. Die Sozialdemokratie hat schwer abgebaut und scheint sich auch nicht mehr wirklich zu erholen. Muss sich die SPÖ neu erfinden?

Jetzt ist aber Vorarlberg eigentlich ein starker Industriestandort mit vielen Arbeitern und Angestellten – eigentlich ein guter Nährboden für sozialdemokratische Ideen und Politik. Warum fühlen sich die Menschen von Ihrer Partei nicht mehr verstanden?

Haben Sie eigentlich Mitleid mit dem aktuellen Parteichef Michael Ritsch angesichts dieser Situation? Oder muss er sich selber in Frage stellen aus Ihrer Sicht?

Michael Ritsch ist ja zurückgerudert nach dem letzten schlechten Wahlergebnis. Es sind ein, zwei verschiedene Namen aufgetaucht. Aber gibt es überhaupt eine Personaldecke in Vorarlberg? Jemanden, der das aus Ihrer Sicht überhaupt machen könnte?

Auf Bundesebene gibt es ja eine neue Führung. Christian Kern hat das Bundeskanzleramt übernommen und ist – bald – SPÖ-Chef. Wie haben Sie den Neustart von Kern wahrgenommen?

Aber die klassische Parteikarriere à la Faymann und Gusenbauer hat er nicht hinter sich. Ist das eher ein Nachteil?

In welche Richtung wird sich das Land unter Kern entwickeln?

Da Sie die Freiheitlichen ansprechen: Diese haben mittlerweile eine große Wählerschaft unter den Arbeitern, hier würde es eigentlich Schnittmengen geben mit der SPÖ. Ist eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ für Sie vorstellbar? Oder unter Strache sowieso nicht?

ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka greift Kern unentwegt an. Glauben Sie, dass die neue Beziehung lange hält oder müssen wir 2017 wieder an die Wahlurnen schreiten, wie es auch schon Michael Häupl angedeutet hat?

Muss Kern dann aufpassen, nicht in alte Muster zu verfallen? Man packelt irgendwo…

Und da blutet Ihnen als – mit Verlaub – alten Controller der EU und Vater von OLAF wohl besonders das Herz.

Das gesamte Video zur Lage der SPÖ mit Herbert Bösch

Herbert Bösch

Herbert Bösch wurde 1954 in Feldkirch geboren. Der Sozialdemokrat war von 1989 bis 1994 Mitglied des Bundesrates, von 1994 bis 1995 des Nationalrats und von 1995 bis 2009 Abgeordneter des EU-Parlaments. Bekannt wurde er 1999, wo er als parlamentarischen Haushalts-Kontrolleur einen Korruptionsskandal mitaufdeckte, der zum Rücktritt der gesamten Kommission führte. Damals wurde er auf einen aussichtslosen Listenplatz gereiht, da er die neue Parteipolitik Werner Faymanns offen kritisierte. Bis heute ist er Mitglied des Untersuchungsausschusses der Anti-Korruptionsbehörde OLAF, die in Folge des Skandals gegründet wurde. Nach seinem Ausscheiden aus der EU-Politik kehrte er in die Bregenzer Stadtverwaltung zurück, wo er von 1980 bis 1995 tätig war.

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Bregenz
  • Herbert Bösch im Interview: Die SPÖ muss sich selbst wieder finden