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Bosnien-Herzegowina gedenkt 20. Jahrestag des Srebrenica-Massakers

Am 11. Juli sollen in Potocari weitere 135 Opfer beigesetzt werden.
Am 11. Juli sollen in Potocari weitere 135 Opfer beigesetzt werden. ©AP
Bosnien-Herzegowina gedenkt am 11. Juli des 20. Jahrestags des Massakers von Srebrenica, des schwersten Kriegsverbrechens in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
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Auf dem Friedhof von Potocari, wo in den vergangenen Jahren bereits 6.241 Massaker-Opfer beigesetzt wurden, sollen heuer weitere 135 ihre letzte Ruhestätte finden. 18 davon waren im Juli 1995 noch minderjährig, acht erst 16 Jahre alt.

Massaker trotz UN-Schutzzone

Am 11. Juli 1995 hatten bosnisch-serbische Truppen die ostbosnische muslimische Enklave Srebrenica eingenommen. Zu jenem Zeitpunkt galt dort eine UNO-Schutzzone. Trotzdem ermordeten die bosnisch-serbischen Truppen vor den Augen der dort stationierten niederländischen UNO-Soldaten etwa 8.000 bosniakische (muslimische) Männer in den darauffolgenden Tagen auf brutalste Art und Weise.

“Rache an den Türken”

Die Frauen wurden nach Tuzla vertrieben. Die Ortschaft stand damals unter Kontrolle der muslimischen Truppen. Der damalige bosnisch-serbische Militärkommandant Ratko Mladic hatte bei der Ankunft in Srebrenica serbischen Medien gegenüber die “Rache an den Türken”, wie die Muslime abfällig genannt wurden, verkündet. Viele Leichname der Opfer von Srebrenica wurden nach dem Kriegsende in zahlreichen Massengräbern gefunden, nach etwa 1.000 wird nach wie vor gesucht.

50.000 Menschen zu Gedenkfeier erwartet

Zur Gedenkfeier zum 20. Jahrestag des Massakers am 11. Juli in Potocari bei Srebrenica werden etwa 50.000 Menschen erwartet. Einstige Einwohner der ostbosnischen Kleinstadt werden nicht nur aus anderen Landesteilen, wo sie in den letzten Tagen des Krieges eine Zuflucht gefunden hatten, sondern aus rund 40 verschiedenen Staaten anreisen. Die Veranstalter erwarten auch die Teilnahme des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton, der 2003 die Gedenkstätte in Potocari eröffnet hat. Auch das EU-Parlament in Straßburg wird sich kommende Woche mit dem Gedenken an Srebrenica auseinandersetzen.

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Wie in den vergangenen Jahren auch werden die Gedenkfeierlichkeiten heuer mit dem etwa 100 Kilometer langen “Marsch des Todes – Weg der Freiheit” beginnen. Dabei werden mehrere tausend Teilnehmer zum zehnten Mal über die Route geführt, auf der die Bewohner Srebrenicas im Juli 1995 aus ihrer Heimatstadt vor den serbischen Truppen nach Tuzla geflohen waren.

Serbiens Staatschef nimmt teil

Zur Gedenkfeier haben die Präsidenten Sloweniens, Kroatiens und Montenegros – Borut Pahor, Kolinda Grabar-Kitarovic und Filip Vujanovic – ihr Kommen angekündigt. Serbiens Staatschef Tomislav Nikolic erklärte sich nach einer anfänglichen Absage mittlerweile ebenfalls bereit, den Opfern des “schrecklichen” Verbrechens seine Ehre zu erweisen. Zunächst hatte Nikolic darauf bestanden, dass auch der bosnisch-serbischen und anderer Kriegsopfern gedacht würde.

Oric-Festnahme sorgt für Misstöne

Für Misstöne in den Beziehungen zwischen Serbien und Bosnien-Herzegowina hatte zuletzt auch die Verhaftung des ehemaligen Kriegskommandanten in Srebrenica, Naser Oric, in der Schweiz gesorgt. Weil Oric auf Grundlage eines serbischen Haftbefehls festgenommen worden war, hatte sich der Bürgermeister von Srebrenica geweigert, einen serbischen Vertreter zur Gedenkfeier einzuladen. Belgrad wirft Oric Kriegsverbrechen an sieben bosnisch-serbischen Zivilisten vor. Die Auslieferung von Oric an Bosnien machte den Weg schließlich frei für eine Einladung an den serbischen Präsidenten.

Auch der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vucic wird an den Gedenkfeiern teilnehmen. “Wir müssen das Leiden, die Schmerzen, ja, auch den Hass vieler Bosniaken verstehen, die die Hölle von Srebrenica durchgemacht haben”, ließ er Mitte Juni wissen.

Begriff “Völkermord” wird in Serbien vermieden

Trotz solcher Bekundungen wird der Begriff Völkermord in Serbien zwanzig Jahre nach dem Massaker weiter hartnäckig vermieden, auch wenn die brutale Ermordung tausender Bosniaken sowohl vom Internationalen Tribunal für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien (ICTY) als auch vom Internationalen Gerichtshof als Genozid qualifiziert wurde.

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Mladic_Karadzic_EPA_2 ©Ratko Mladic, Radovan Karadzic: Beide mussten sich in Den Haag verantworten. EPA

 

Land ist tief gespalten

Bosnien-Herzegowina ist vor der Gedenkfeier wie in den Jahren zuvor tief gespalten. Während der Jahrestag des Massakers im größeren Landesteil, der Bosniakisch-Kroatischen Föderation, ein Trauertag ist, gilt der 11. Juli in der kleineren Entität, der Republika Srpska, wo seit dem Kriegsende sowohl Srebrenica als auch Potocari liegen, als ganz normaler Arbeitstag. Kurz vor der Gedenkfeier lehnte es das bosnische Parlament ab, sich zu einer von Großbritannien vorbereiteten UNO-Resolution zu Srebrenica zu äußern. Parlamentarier der serbischen Volksgruppe waren dagegen, da sie die Erklärung für “serbenfeindlich” halten.

Der Präsident der Serbischen Republik, Milorad Dodik, der den Genozid kurz vor dem Jahrestag erneut bestritten hat, bezeichnete das Massaker im Vorfeld des Gedenkens als “riesiges Verbrechen”. Er hatte die Gedenkstätte in Potocari im April zum ersten Mal besucht.

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(APA/Red.)

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