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Unbezahlbar

"An diesem Ort ein kompakter Baukörper, der nicht zerfranst".
"An diesem Ort ein kompakter Baukörper, der nicht zerfranst". ©Cyril Müller/Lukas Lässer
Bizau - Großartig! schießt es einem bei manchem Haus durch den Kopf und dann fragt man sich: Ist es überhaupt das Haus, ist es das Haus allein?
Schöner Wohnen in Bizau

Die Kanisfluh scheint zum Greifen nah, dahinter die Damülser Mittagsspitze, davor Dorf und Kirchturm drunten im Tal, beidseitig wird das Bild gerahmt von den Flanken des Bergs, darauf Bauernhäuser und Wohnhäuser von ausgezeichneter Architektur. Im Zentrum das solide Haus, bester Standard, unter der Sonne von morgens früh bis abends – unbezahlbar.

„Dieser Ort, die Landschaft, das war die Herausforderung“, erinnert sich Architekt Bernd Frick, „da kann man viel falsch machen. Und tatsächlich waren es einige Schritte von einer expressiven, die Aussicht betonenden Figur zu dem einfachen, kompakten Baukörper. Zum Ort gehört das Klima, hier besonders ein ständiger Wind, der uns diesen Weg wies.“

Doch nicht nur die Natur der Landschaft – die Bauten in unmittelbarer Nachbarschaft sind die offensichtlichsten Zeugen einer Kulturlandschaft, die von Besitzergreifung erzählt. So auch davon, dass der Großvater mit der Übergabe der Schreinerei drunten im Dorf hier hinauf zog, den Familiensitz begründete und den heutigen Bauherrn, zwei Brüdern mit ihren Familien, den Bauplatz bescherte. Auch das ist Kulturlandschaft: Die beiden Brüder bleiben dem handwerklichen Schaffen treu, der eine als Schreiner, der andere als Elektriker und wohl nur so war ihnen möglich, sich ein Haus auf diesem Niveau zu leisten. Das ist in dieser Gegend gute Übung wie die Tatsache, dass der Baustoff überwiegend aus dem eigenen Wald kommt.

Ein Holzhaus also – das auf dem gemauerten Sockel des Vorgängerbaus aufsitzt. Der musste weichen, entsprach er doch in Struktur, Bauausführung und Raumangebot nicht dem Bedarf zweier Familien. Der Rohbau war als Ständerelementbau in wenigen Tagen aufgestellt, den Ausbau besorgten die Brüder weitgehend an den Abenden und Wochenenden des folgenden Jahres. Die Innenwände in Gips bzw. Lehm, die Böden und Decken in Weißtanne bzw. Eiche, perfekt mit Schattennut gefügt, zählen ebenso dazu wie Einbaumöbel und die Fassade aus Holzschindeln.

Entstanden sind zwei annähernd gleich große Wohngeschoße von rund 130 m2 mit großzügigen Loggien, witterungsgeschützt ins Bauvolumen eingezogen und mit Schiebegläsern versehen – Erweiterung des Wohnraums während Dreiviertel des Jahres. Damit ist der Bedarf an frischer Luft weitgehend gestillt, einige Gemüsebeete vor dem Haus bereichern die eigene Speisekarte. Das Dachgeschoß ist (gedämmte) Raum-Reserve, im Sockelgeschoß befinden sich Stellplätze, Werkstatt und Heizung. Rund acht Ster Stückholz in Kombination mit Solarthermie reichen für Fußbodenheizung und Brauchwasser.

Ein kompaktes Haus mit Satteldach entsprechend den benachbarten Bauernhäusern. Knapper Dachüberstand, ruhig befenstert mit einem Format, unterschiedlich gruppiert. Lediglich hangseitig mit dem geschwungen eingezogenen Zugang und den Treppenhausfenstern etwas Finesse. Sonst: Fassung und Dichte, die selbstverständlich wirkt. Mit Dach und umgerüstetem Gebäudesockel wären vier Wohnungen möglich. „Es glaubt keiner, wie viel Raum in einem solchen Haus Platz hat“, berichtet Jörg Meusburger.

Konzentration, die das Haus möglich gemacht hat. Was nach üblichen Planungsansätzen unerschwinglich wäre, wird bei einer Baupraxis, wie sie hier noch verbreitet ist, bezahlbar. Eigenarbeit haben die Kosten mehr als halbiert. „Man hat zu Beginn jedem gesagt, was es kostet – und dann, was er selber machen muss“, berichtet der Architekt schmunzelnd. „Und ein großer Vorteil war, dass wir zu zweit angepackt haben“, ergänzt der Bauherr, „da konnte man sich gegenseitig helfen, nicht zuletzt bei der Motivation.“

Da kommt einiges zusammen: eine natürliche Kulisse, die schlicht großartig ist, ein Gemeinwesen, das vital ist, eine Baukultur, die auf höchsten Standard wirkt, eine Architektur, die der Verdichtung fähig ist und ein Bauwille, den so schnell nichts umwirft. Das ist es, was eigentlich unbezahlbar ist.

Daten und Fakten

  • Objekt: Haus Meusburger, Zweifamilienhaus in Bizau
  • Eigentümer/Bauherr: Natalie und Jörg Meusburger, Alexandra und Tomas Meusburger
  • Architektur: Bernd Frick, Reuthe, www.berndfrick.com
  • Ingenieure/Fachplaner: Statik: Gruppe Bau, Dornbirn
  • Planung: 2009
  • Ausführung: 2010
  • Grundstücksgröße: 735 m²
  • Wohnnutzfläche: 365 m²
  • Keller: 210 m²
  • Bauweise: Kellergeschoß: bestehender Massivbau, außen neu überdämmt 12 cm mit naturbelassenem Holzschirm; Erd- und Obergeschoße in Holzelementbauweise; Massivholzdecken, gedämmt 25 cm; Schindelschirm naturbelassen; Dachgeschoß gedämmt; Garage im Keller untergebracht; Fußböden: Eiche; Stückholzheizung und Kachelofen im Obergeschoß, Solaranlage; Innenwände: Holzständerbau Fichte und Gipskarton, teilweise mit Lehmputz; Fenster selbst hergestellt, dreifach Isolierverglasung; Küche: Sonderfertigung Schreiner bzw. Eigenproduktion durch Bewohner
  • Besonderheiten: Fenster und gesamter Innenausbau in Eigenregie
  • Ausführung: Baumeisterarbeiten: MBau, Schwarzenberg;
  • Zimmerer: Holzbau Greber, Bezau; Fenster: Herbert Feuerstein, Bizau (durch Hauseigentümer selbst gemacht); Innenausbau: Tischlerei Künzler, Bizau und Eigenregie; Heizung/Lüftung: Steurer Installationen, Schwarzenberg
  • Energiekennwert: 33 kWh/m² im Jahr
  • Baukosten: ca. 600.000 Euro

Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
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Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

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