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Ein sehr spezielles Wälderhaus

Sein markantes Gesicht bekommt das Fechtig- Hus durch vertikal die Fassaden strukturierende hölzerne Lamellen.
Sein markantes Gesicht bekommt das Fechtig- Hus durch vertikal die Fassaden strukturierende hölzerne Lamellen. ©Wolfgang Schlocker
Allein leben und doch nicht alleingelassen sein: Das von den Bregenzer Dorner\Matt Architekten geplante Fechtig-Hus in Bizau macht das möglich.
Schöner Wohnen in Bizau
NEU

In der kleinen Zwei- Zimmer-Wohnung von Werner Meusburger geht es hoch her. Der alte Herr trifft sich gerade mit zwei Freunden und einer Freundin zur wöchentlichen Jassrunde. Sie wohnen nicht wie Herr Meusburger, fünf weiteren männlichen und zwei weiblichen Singles sowie ein Ehepaar im Fechtig-Hus. Das kein normales Mietshaus ist, sondern eines, in dem Menschen Hilfe bei der Abwicklung des täglichen Lebens bekommen. Aber auch Nachbarschaft wird hier aktiv gelebt. Jeder hat eine Aufgabe, man schaut aufeinander, hilft sich, kauft etwa gemeinsam ein, kocht miteinander. Wer aber lieber im benachbarten Josefsheim isst, kann das auch tun.

Sind das für pflegebedürftige Bizauer eingerichtete Josefsheim und das Fechtig- Hus doch Institutionen, die sich in ihrer sozialen Funktion sinnvoll ergänzen. Träger von beiden ist eine 1956 von Josef und Maria Fechtig eingerichtete Stiftung zugunsten alter und pflegebedürftiger Mitmenschen. Auf diese Weise konnte das 1962 eröffnete Josefsheim und nun auch das Fechtig-Hus gebaut werden. An der Stelle des seit vielen Jahren verfallenden Wohnhauses der Stifterfamilie. Denn durch die Änderung der sozialen Strukturen im Ort war die Errichtung eines Hauses für betreutes Wohnen dringend notwendig. Eine Projektgruppe wurde installiert und das mit einschlägigen Bauten erfahrene Architekturbüro Dorner\Matt vorerst mit einer Studie beauftragt. Der Prozess, der sich daraus ergab, war so konstruktiv, dass die ursprüngliche Idee, einen Architekturwettbewerb auszuschreiben, verworfen wurde, und Dorner\ Matt mit der Planung beauftragt wurden. Diese bezieht auch das Josefsheim ein, das in absehbarer Zeit ebenfalls saniert bzw. erweitert werden soll.

In seiner Typologie entspricht das Fechtig-Hus ganz einem klassischen Bregenzerwälderhaus, wenn auch mit viel Gespür in die Formen- und Materialsprache von heute transformiert. Aus Kostengründen ist das zweieinhalbgeschoßige, mittig erschlossene Haus mit seinem markanten Giebel kein reines Holzhaus geworden, kommt aber – fast – wie ein solches daher. Der Sockel und der konstruktive Kern sind aus Beton, die perfekt gedämmten Fassaden und Fenster aus Holz. Genauso wie die Türen, Decken- und Wandverkleidungen sowie die Stiegen- und Bodenbeläge im Inneren.

Im Fechtig-Hus haben auch der Bizauer Krankenpflegeverein und der Mobile Hilfsdienst seine Räume. Im Erdgeschoß gibt es ein gemeinsames „Wohnzimmer“ für die Hausbewohner und einen großen Mehrzweckraum, der auch von den Vereinen der Gemeinde genutzt wird. Hier fallen Wandelemente aus offensichtlich altem Holz ins Auge. Sie stammen aus dem abgebrochenen Fechtig-Hus und sollen an das großzügige Erbe des Stifterpaars erinnern.

Die zwischen 36 und 55 Quadratmeter großen Wohnungen werden – außer der Küche – von den Bewohner(inne)n selbst eingerichtet. Etwa von Gerda und Rudolf Roth, die vor fast einem Jahr eingezogen sind. Und sich hier sehr wohlfühlen, glücklich sind über den barrierefreien Zugang zu allen Räumen, den Lift, die großartige Aussicht vom Balkon aus. Noch frei ist allerdings die schönste und mit rund 80 Quadratmetern größte Wohnung unter dem offenen Dachstuhl. Drei Menschen zu finden, die sich zu einer Wohngemeinschaft zusammentun, ist offensichtlich gar nicht so leicht.

Sein markantes Gesicht bekommt das Fechtig- Hus durch vertikal die Fassaden strukturierende hölzerne Lamellen. Die raffinierte grafische Struktur, die sich daraus ergibt, setzt sich teilweise auch ins Innere fort. Ein schönes Spiel mit Offenem, Halboffenem und Geschlossenem vorführend, etwa bei den Seitenwänden der in die Ecken des Baukörpers hineingeschnittenen Balkone oder bei den Schiebeläden, die in geschlossenem Zustand die Fassade praktisch vertikal versiegeln.

Durch ihre fast raumhohen Fenster gibt sich die zum Josefsheim hin orientierte, rückspringende Eingangsfront einladend offen. Markant geprägt durch den mittig gesetzten Einschnitt für eine über das erste und das Dachgeschoß offene Gemeinschaftsterrasse. Der gepflasterte Platz, der zwischen den beiden Häusern entstanden ist, wird westseitig durch eine Lamellenwand stimmig abgeschlossen.

Daten und Fakten

Objekt: Fechtig-Hus betreutes Wohnen, Bizau

Eigentümer/Bauherr: Franz Josef und Maria Fechtig’sche Armenstiftung Bizau

Architektur: Dorner|Matt Architekten, Bregenz; www.dorner-matt.at; Projektleitung: Hannes Zumtobel

Statik: planDREI, Andelsbuch

Fachplaner: Bauleitung: Michael Hassler, Dornbirn; Heizung Lüftung Sanitär: Koller & Partner, Bregenz; Elektro: Willi Meusburger, Bezau; Bauphysik: Weithas, Lauterach; Geologie: 3P Geotechnik, Bregenz

Planung: 2011–2013

Ausführung: 9/2013–11/2014

Nutzfläche: 700 m² (zuzüglich 230 m² Keller)

Bauweise: Keller und Geschoßdecken aus Stahlbeton; Außenwände und Dach aus vorgefertigtem Holzbau; Dach: Blechdeckung; Fassade, Holzfenster und Verkleidungen aus Weißtanne; Innenausbau in Trockenbauweise; Eichenparkett; Heizung mit Fernwärme aus benachbartem Betrieb; Kontrollierte Be- und Entlüftung

Besonderheiten: Altholz vom Abriss konnte zum Teil als Wandverkleidung wiederverwendet werden. Photovoltaikanlage (100 m²)

Ausführung: Baumeister: Moosbrugger, Andelsbuch; Zimmerer: Berchtold, Schwarzenberg; Fenster: Wälderfenster, Bizau; Türen: Telser, Mals/Vinschgau; Trockenbau: Bohn, Dornbirn; Böden: Stipo, Bezau; Tischler: Feuerstein, Übelher und Künzler, alle Bizau; Spengler: DDM, Bizau; Elektro: Meusburger, Bezau; Heizung/Sanitär: Wäldar Installateur, Bezau; Lüftung: Gruber, Bregenz; Schlosser: Simeoni, Andelsbuch; Estrich: Vigl und Strolz

Energiekennwert: 26,4 kWh/m² im Jahr

Baukosten: ca. 2,2 Mill. Euro (Errichtungskosten)

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter architektur vorORT auf v-a-i.at

Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing

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