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Bill Gates tritt zurück

Der reichste Mann der Welt schaltet einen Gang zurück. Microsoft-Gründer war schon mit 31 Jahren Milliardär.

Bill Gates ist ein Mann der Superlative. Schon mit 31 Jahren durchbrach er eine finanzielle Schallmauer – er war der jüngste Milliardär der industriellen Welt. Sein finanzieller Erfolg sprengte seither alle Dimensionen. Heute, im Alter von 44 Jahren, wird das Vermögen von Gates auf 90 Milliarden Dollar (87,6 Mrd. Euro/1.205 Mrd. S) veranschlagt. Mit 19 Jahren gründete er die Firma Microsoft, deren Software für viele Computer-Benutzer heute den Standard schlechthin darstellt. 30.000 Menschen arbeiten weltweit für dieses Imperium. 90 Prozent aller Computer sind mit Windows ausgerüstet, dem wichtigsten Markenprodukt, das von Microsoft auf den Markt geworfen wurde. 1994 heiratete Gates Microsofts Marketing-Direktorin Melinda French. Sie haben inzwischen zwei Kinder – die dreijährige Jennifer und den kleinen Rory John. Der Mann kann es sich leisten, einen Gang zurückzuschalten.

Als Gates am Donnerstag am Firmensitz Redmond bei Seattle eine Pressekonferenz einberufen ließ, erwarteten die Journalisten Neuigkeiten zum Kartellrechtsverfahren, mit dem die US-Behörden versuchen, die Monopolstellung des Software-Giganten zurechtzustutzen. Aber der Firmenchef hatte eine handfeste Überraschung auf Lager – einen partiellen Rückzug aus der Konzernleitung. Gates übergab die Verantwortung für die Tagesarbeit an seinen langjährigen Kompagnon Steve Ballmer. Wenngleich er gleich klarstellte, dass er selbst Vorsitzender des Verwaltungsrats bleibt, wirkte es doch wie eine halbe Abdankung.

Der Paukenschlag passt gut zu diesem Mann, der als hochbegabt, hyperaktiv und autoritär gilt. Gates hat sich noch nie darum geschert, was von ihm erwartet wird. Als er des Studiums in Harvard überdrüssig war, gründete er mit Paul Allen im Alter von 19 Jahren die Firma Microsoft. Dann machte er sich daran, das Software-Programm DOS zu entwickeln, das er 1980 an IBM verkaufte. Sechs Jahre später ging Microsoft an die Börse. “Microsoft ist kein Beruf, es ist eine Lebensart”, sagte in diesen Jahren ein Mitglied der Firmenleitung. Wer die Ehre hatte dazuzugehören, ließ sich bisweilen auf ungewöhnliche Praktiken ein. Einmal wurden die Gehälter gekürzt, ein anderes Mal wurde eine Wochenarbeitszeit von 80 Stunden als normal verkauft.

Mit dem Windows-Programm spielte Microsoft den Langzeit-Konkurrenten Appel an die Wand. Die Vorwürfe über unlautere Geschäfspraktiken nahmen zu. Das Fass kam zum Überlaufen, als Microsoft seinen Internet-Browser in das Windows-98-Paket integrierte. Im Mai 1998 brachten die Wettbewerbshüter eine Klage gegen den Marktführer ein. Seither weht für Bill Gates ein rauer Wind. Die Ergebenheitsadressen und bewundernden Worte wurden seltener. Der Jus-Professor Jamin Raskin stellte fest, Gates sei vom hohen Sockel geholt und wieder in einen Geschäftsmann zurückverwandelt worden, “der nur auf seinen Vorteil bedacht ist”.

Das Ende des Kartellverfahrens ist noch nicht absehbar. Microsoft will mit Zähnen und Klauen alles verteidigen, was seit 1975 aufgebaut worden ist. Auch wenn Gates bei der Stabübergabe an Ballmer strikt bestritt, dass es einen Zusammenhang zu den Monopol-Vorwürfen gibt – vielleicht hat er sich in seinem Entschluss doch von dem Ratschlag leiten lassen, dann zu gehen, wenn es am schönsten ist.
[14.12.2000] APA

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