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Bildung im Quartier

©Petra Rainer
Das Prinzip der Inklusion inspiriert aktuell Schulbauten in Europa. Hier zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab. Architektur ist hierfür nicht mehr, aber auch nicht weniger als das Medium eines Willens zur Gestaltung von Gesellschaft.
Bildung im Quartier

Bis eine Schule ihren Nutzer(innen) übergeben werden kann, vergehen nicht selten viele Jahre. Als Grundlage für die Planung eines neuen Schulgebäudes steht z. B. die Analyse demografischer Entwicklungsszenarien. Wie wird sich der Bedarf entwickeln? Wie viele Kinder werden in einem Stadtteil, einem Dorf in den nächsten Jahren erwartet? Was kann der Schulbau für das Quartier bedeuten? Welche Funktionen kann der Bau auch als öffentlicher oder halböffentlicher Raum für die Umgebung wahrnehmen?

Gute Schule. Was bedeutet das? Gute Schule, das ist zunächst guter Unterricht. Eine Kultur, in der Lehrende und Lernende zusammenfinden, unabhängig von Rolle und Alter. Für die Stadtplanung bedeutet eine gute Schule darüber hinaus zunächst das Finden eines guten Projektstandortes. Für den Schulbau selbst geht es schließlich darum, ob und wie ein pädagogisches Konzept Eingang in die Planung findet; bis zur Fertigstellung gibt es zahlreiche Projektstadien von Wettbewerb bis Realisierung. Gute Schulen, das können auch Bestandsbauten sein, die eine sorgsame Weiterentwicklung erfahren. Viele Schulen aus den 1960er- und 1970er-Jahren überraschen mit Zugängen, die den meisten Erwachsenen heute als Wunschtraum vorkommen, wenn sie an die Schulbauten denken, die in den Jahren danach entstanden sind und die sie selbst besucht haben. Kindergärten, Schulen, Arbeitsräume, öffentliche Räume prägen uns ebenso wie Räume zum Wohnen. Der italienische Reformpädagoge Loris Malaguzzi hat den Schulraum als den „dritten Pädagogen“ beschrieben.

Die Schule Schendlingen ist ein gelungenes Beispiel. Ihr ging eine jahrelane Diskussion um Standort und Schulform voraus. Nun wurden Volksschule und Neue Mittelschule in einem Bau zusammengefasst.

Großartig sind dabei die Kombination der Räume, die bewusst gesetzten Übergänge, ihre Verschränkungen, die ein Von- und Miteinanderlernen möglich machen.

Das städtische Umfeld ist geprägt von Einfamilienhäusern und Wohnzeilen, der Kirche. Erstmals wurde in Vorarlberg versucht, ein Lern- und auch ein Lebensumfeld für Kinder und Jugendliche von 6 bis 14 Jahren neu zu schaffen. 65 Prozent der Kinder haben andere Muttersprachen als Deutsch. Diese Herausforderung tragen vor allem die Padägog(inn)en, war aber auch bereits in der Vorbereitung des Architekturwettbewerbs 2014 ein Thema, den die Architekten Matthias Bär, Bernd Riegger und Querformat gewannen. Im bislang größten Pflichtschul-Bauprojekt Vorarlbergs besuchen 300 Schüler(innen) die Volksschule, 270 die Neue Mittelschule. Das neue Schulgebäude zeigt sich als dreigeschoßiger Solitär. Prägnant ist Sichtbeton als Material. Im Inneren eröffnet sich den Nutzer(inne)n ein erstaunlich vielfältiger Mikrokosmos in Form von acht „Kleinschulen“, gemeinsam nutzbaren Fachräumen und mehreren Höfen für Belichtung und Kommunikation. Jede hat Eingangsbereiche, Zonen für Kommunikation und Konzentration, Räume zur Vorbereitung für das Lehrpersonal. Das Herzstück ist ein Lichthof über alle Geschoße. Im Erdgeschoß ist er Aula und Begegnungszone der „gemeinsamen Schule“, auch Ort für die Mittagsbetreuung. In den Obergeschoßen dieser transparenten Mittelzone sind Fachräume untergebracht. Das gemeinsame Zentrum verbindet und gliedert: Es teilt den Gebäudekomplex in einen westlichen Volksschul- und in einen östlichen Mittelschulteil. Im Lichthof docken zudem allgemeine Zonen wie die Direktionen mit Besprechungs- und Konferenzräumen, Bibliothek, Sozialbereich, multifunktionaler Bewegungsraum sowie Räumlichkeiten für die städtische Musikschule an.

Beim Materialkonzept dominieren im Inneren neben Sichtbeton und Glas naturbelassene Materialien: Holzfenster, Akustik-Lochdecken in Weißtanne, sägeraue Holzböden und Möbel aus Esche. Es finden sich zudem Decken aus eigens entwickelten Wollfilzelementen, die für eine angenehme Raumakustik sorgen und das Wohnraumgefühl verstärken.

Die neue Schule Schendlingen punktet mit Licht, Durchsicht, Orientierung, fließenden Übergängen und bieten den idealen räumlichen Rahmen für das von einer innovativen Direktion mitentwickelte pädagogische Konzept.

Daten & Fakten

Objekt Schule Schendlingen, Bregenz
Eigentümer/Bauherr Landeshauptstadt Bregenz, Projektleitung: Christian Freuis, Martin Längle
Architektur Matthias Bär ZT, www.baer.studio; Bernd Riegger ZT, www.berndriegger.com; Querformat ZT, www.querformat-zt.com
Statik Manfred Plankel, Bregenz
Fachplaner: Geotechnik: 3P, Bregenz; Heizung, Lüftung, Sanitär: Walter Pflügl, Bregenz; Elektro: Hämmerle, Lustenau; Beleuchtung: Manfred Remm, Dornbirn; Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg; Spielraum: Günter Weiskopf, Lustenau; Leitsystem, Signaletik: Atelier Gassner, Schlins
Kunst am Bau Marbod Fritsch
Wettbewerb 2014
Ausführung 2015–2017
Grundstücksgröße 12.700 m²
Nutzfläche 9370 m² (davon 2450 Turnhalle Bestand]
Bauweise: Zweischalige Betonkonstruktion mit Kerndämmung, innen und außen Sichtbeton
Ausführung (Auswahl): Baumeister: Gobber, Bregenz und i+R, Lauterach; Heizung-Sanitär: Stolz, Bregenz und Intemann, Lauterach; Elektro: Rist, Wolfurt; Lüftung: Gruber, Wolfurt; Brandschutztore: Zargen Bösch, Schwarzach; Rauchvorhänge: Tortec, Wolfsegg; Fenster und Portale: Hartmann, Nenzing; Holztrennwände und Innentüren: Telser, Mals (I); Parkett: Berchtold, Weiler; Spengler: Rusch, Bregenz; geschliffener Estrich: Vigl-Strolz, Schoppernau; Unterestrich: Küngbau, Thüringen; Küche: FHE, Dornbirn; Trockenbau: Bohn, Feldkirch; lose Möbel: Mayr, Scharnstein; Holzlochdecken, WC-Wände: Lenz-Nenning, Dornbirn; Akustikelemente, Loungemöbel, Pinnwände: Mohr Polster, Andelsbuch; Einbaumöbel: Oberressl, Kötschach-Mauthen; Asphalt und Pflaster: Hilti & Jehle; Feldkirch
Energiekennwert 6 kWh/m² im Jahr
Baukosten ca. 24 Mill. Euro

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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