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"Bei uns ist jeder willkommen!"

Jeden Montag, ab 19.15 Uhr, versammeln sich engagierte Bürger am Marktplatz in Dornbirn.
Jeden Montag, ab 19.15 Uhr, versammeln sich engagierte Bürger am Marktplatz in Dornbirn. ©WANN & WO
Dornbirn - Seit Mai finden auf dem Dornbirner Marktplatz Montagsdemos statt. WANN & WO hat mit dem Initiator Thomas Cassan gesprochen.

„Bei uns geht es nicht um politische Gesinnungen, sondern immer um die Sache selbst“, sagt Thomas Cassan auf die Frage nach seiner Intention. „Besonders Liebe und Menschlichkeit sehen wir als wichtigste Elemente des Zusammenlebens.“ Der Organisator der Montagsdemos schießt sich aber auch schnell auf gewisse gesellschaftliche Elemente ein: „Wir werden von Medien manipuliert, die von der Politik instrumentalisiert sind“, lautet seine Meinung. Diese stützt er allerdings oft selbst auf pauschalisierende, systemkritische Verschwörungstheorien, die Kritiker der Montagsdemos nicht ganz zu unrecht anprangern: „Auch die Politiker sind – ohne einzelnen Personen nahe treten zu wollen – Befehlsempfänger und Handlanger von Wirtschaft und Finanzsystem.“

„Wir können viel erreichen“

„Wenn wir gemeinsam anpacken und uns für eine Sache einsetzen, können wir viel erreichen“, führt der Dornbirner weiter aus. „Die Vielfalt macht es, Ausgrenzung ist verschwendetes Potenzial. Auch wenn man verschiedene Grundhaltungen hat, sollte man sich die andere Meinung zumindest anhören, um sich selbst ein Bild zu machen.“ Deshalb weist Cassan Vorwürfe, Rechtsextremismus Tür und Tor zu öffnen, wie sie gegenüber den Montagsdemos in Deutschland erhoben wurden, zurück. „Fanatismus und Extremismus führen zu Gewalt, was absolut nicht sein darf. Parteien spalten die Gesellschaft. Zwei Leute aus unterschiedlichen politischen Lagern ,dürfen‘ ja gar nicht einer Meinung sein. Darum haben wir momentan auch politischen Stillstand in Österreich. Dieses Konkurrenzdenken ist der falsche Weg. Wir können uns gemeinsam ein Paradies schaffen, denn das Gemeinwohl sollte doch ein überparteiliches Anliegen sein.“

„Eigene Meinung bilden“

„Jeder soll sich eine eigene Meinung bilden“, ist Cassan überzeugt. „Ich würde mich freuen, wenn sich mehr Leute an den Friedensmahnwachen beteiligen und bei Vorträgen und im Dialog ein eigenes Bild machen. Jeder ist willkommen, jeder hat das Recht, sich einzubringen, solange er mit gewissem Grundanstand und Respekt bei der Sache ist.“

3 Fragen an Peter Grottian, 71, Sozialwissenschaftler und politischer Aktivist:

Was ist der Gedanke hinter Montagsdemos?

1. Ich denke, es ist eine soziale Bewegung, die noch auf der Suche nach ihren konkreten Anliegen und Zielen ist. Wenn von Friede und Gleichberechtigung die Rede ist, ist das ja schön und gut. Irgendwann muss dann der nächste Schritt gemacht werden. Am Anfang sollte man nicht zu hohe Maßstäbe setzen und es sei einer solchen Initiative auch zugestanden, dass sie nicht gleich mit konkreten Lösungen oder gar mit Programmen aufwarten kann.

Welche Gefahren birgt die Herangehensweise?

2. Der Gedanke, die etablierten Institutionen abzulehnen, ist ja nicht neu. Wenn dasaber nicht irgendwann konkretisiert wird, werden sie – wie ich das auch bei den Montagsdemos in Deutschland vermute – nicht lange bestehen. Denn mit dem pauschalen Verdammen und Verurteilen sollte man immer vorsichtig sein. Das Abstempeln und Abdrängen anderer ist gefährlich und „Gerechtigkeitsradikalismus“ hilft keinem. Man muss den Leuten sagen, warum sie aufstehen sollen.

Ist das blinder Idealismus?

3. Wenn nicht irgendwann Kommunikationsstrukturen und auch konkrete Projekte entstehen, wird die Bewegung zwangsläufig zerfallen. Dieser diffuse Gerechtigkeitsidealismus hat im Gegensatz zu konkreten Initiativen wenig Chance auf Bestand. Der „March Against Monsanto“ hat deshalb so viele Vorarlberger bewegt, weil klar war, worum es genau geht.

Umfrage unter Teilnehmern der Montagsdemos

„Beeinflusste Medien“ Marc, 27, Hohenems: „Der Staat beeinflusst die Medien, das sieht man aktuell beim Fall Armin Wolf. Wir wollen nicht angelogen werden! Schlimm ist z.B. eine Fußball-WM, bei der Menschen ausgebeutet werden, worüber kaum berichtet wird.“

„Wir wollen Frieden“ Fernanda, 30, Bludenz: „Wir wollen Frieden und Gleichberechtigung. Man sollte nicht alles in den Medien blindlings glauben, es gibt viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Ich bin seit der ersten Montagsdemo dabei. Etwas mehr Leute wären toll.“

„Eigenes Bild machen“ Robin, 31, Dornbirn: „Die Leute sollen aufstehen und gemeinsam zeigen, dass sie mit vielem nicht einverstanden sind. Wir sind die 99 Prozent! Daheim jammern nützt nichts, man muss seinen Arsch hochkriegen und sich sein eigenes Bild machen!“

(WANN &WO)

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