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Bei den syrischen Streitkräften macht sich Kriegsmüdigkeit breit

Facebook-Seite "Wir wollen Armee verlassen" hat 3400 Mitglieder.
Facebook-Seite "Wir wollen Armee verlassen" hat 3400 Mitglieder. ©AFP
In der syrischen Armee wächst der Unmut. Im kommenden Frühjahr geht der bewaffnete Konflikt in sein sechstes Jahr, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Entscheidung der Armee, viele junge Männer weit über den üblichen Wehrdienst hinaus in ihren Reihen zu behalten und weitere Männer im waffenfähigen Alter einzuziehen, sorgt in den sozialen Medien für Protest.

Im Onlinenetzwerk Facebook gibt es eine Seite mit dem Namen “Wir wollen die Armee verlassen”. Dort bekräftigen die “Einberufenen des Trupps 102”: “Ich habe das Recht, die Armee zu verlassen und das Recht zu leben. Wir wollen die Armee verlassen”. Die jungen Soldaten versichern, dass sie seit mehr als fünf Jahren die Armeeuniform tragen. “Das Vaterland ist für uns, aber alle sind in das Ausland gegangen. Wir verlangen unsere Entlassung und werden als Widerstand bezeichnet. Dabei sind wir es, die seit fünfeinhalb Jahren standhalten. Jetzt reicht es. Jetzt sind die anderen dran, an unserer Stelle standzuhalten”, betonen die Soldaten auf der Seite, die 3.400 Mitglieder zählt.

Tausende Soldaten gestorben oder desertiert

Die syrische Armee ist laut Experten auf die Hälfte geschmolzen: Tausende Soldaten starben oder desertierten. Mehr als 91.000 Mitglieder der Regierungskräfte, darunter 52.000 Soldaten, wurden seit Beginn des Konflikts im März 2011 getötet. Das ist mehr als ein Drittel der insgesamt 250.000 Toten des Syrienkriegs, von denen die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte ausgeht. Die in England ansässige oppositionsnahe Beobachtungsstelle bezieht ihre nur schwer überprüfbaren Informationen von einem Netzwerk aus Informanten in Syrien.

Assad: “Mangel an menschlichen Ressourcen”

Im Juli hatte Syriens Machthaber Bashar al-Assad eingeräumt, dass es “einen Mangel an menschlichen Ressourcen” in der Armee gebe. Er fügte bei einer Fernsehansprache hinzu, “das Problem der Streitkräfte ist nicht die Planung, sondern die Erschöpfung.” Normalerweise dauert die Wehrpflicht in Syrien zwei Jahre. Rekruten können jedoch länger zum Dienst an der Waffe verpflichtet werden, “wenn es die militärische Situation erfordert”, wie aus Sicherheitskreisen verlautet.

Viele von ihnen hat dieses Schicksal ereilt. Der 34-jährige Hussein leistet seit 2010 seinen Militärdienst und hebt hervor, bereits “einen schweren Tribut an das Vaterland gezahlt zu haben.” Jadi, ein 28-jähriger Artillerist, ist seit vier Jahren im Dienst. In dieser Zeit kämpfte er in der zentralen Provinz Homs, in Raqqa im Osten und nun in der nordöstlichen Provinz Hassake.

“Ich habe keine Angst mehr, aber ich habe die Lebenslust verloren”, erzählt Jadi am Telefon. “Ich habe den Eindruck, dass mein Leben unendlich lange neben meiner Waffe weitergeht. Ich habe weiße Haare und fühle mich wie ein 50-Jähriger. Ich will wieder in das zivile Leben zurück”, sagt er.

Männer verstecken sich, um nicht in Armee gezwungen zu werden

In Damaskus gehen zahlreiche Männer zwischen 20 und 40 Jahren seit zwei Wochen nicht mehr vor die Haustür, um nicht mit Gewalt in die Armee gezwungen zu werden. “Ich verstecke mich Zuhause und mein Bruder geht nicht mehr zur Arbeit, um nicht an einer Straßensperre in einen Bus Richtung Kaserne geworfen zu werden”, verrät der 24-jährige Student Maher.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Unmut unter den Anhängern Assads regt. Im September 2014 wurden laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte fünf Regierungsanhänger verhaftet. Sie hatten den Verteidigungsminister kritisiert, nachdem 200 Soldaten von Jihadisten getötet worden waren.

(APA)

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