“Ich will nichts beschönigen, aber bei aller Kritik sollte man sich auch einmal für fünf Minuten in die Lage der Türkei versetzen”, sagte Kneissl der deutschen “Welt”. Man dürfe nicht vergessen, “was viele terroristische Anschläge wie in der Türkei mit einer Gesellschaft machen”.
In der Türkei gebe es “ohnehin viele Frontlinien, und dazu kommt dann noch der andauernde Terror”, führte die Außenministerin in dem am Mittwoch erschienen Zeitungsinterview aus, und sie fügte hinzu: “Trotz dieser Gewalt stellen sich die Menschen aber immer wieder auf die Hinterbeine und packen an. Davor habe ich großen Respekt.”
Ankara müsse “vieles ändern”
Dass die demokratischen Rechte am Bosporus immer stärker unter Druck geraten, bedauerte Kneissl. Die EU habe mit dem Einfrieren der Beitrittsgespräche bereits Konsequenzen gezogen. Die Außenministerin betonte aber auch, ein Neustart der Beziehungen zwischen EU und Türkei sei nur dann möglich, wenn Ankara “vieles ändert”. “Klar ist auch: Die Türkei ist nach wie vor sehr wichtig für die Europäische Union, und wir wollen gut zusammenarbeiten.”
Was die Verbesserung der Beziehungen zwischen Wien und Ankara betrifft, zeigte sich die Außenministerin mit Verweis auf “sehr gute Gespräche” mit ihrem Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu sowie die Wiederaufnahme der Grabungstätigkeiten österreichischer Archäologen in Ephesos optimistisch: “Ich bin überzeugt, dass wir durch eine solche atmosphärische Verbesserung das Patt in den Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei überwinden können.”
Iran-Atomabkommen
Scharfe Kritik übte Kneissl einmal mehr an dem US-Ausstieg aus dem Iran-Atomabkommen. Auf die Frage, ob US-Präsident Donald Trump mit einer Neuverhandlung des Vertrags zum Einlenken bewegt werden könnte, antwortete die Außenministerin: “Natürlich muss man über das Raketenprogramm und die Rolle des Iran als regionaler Akteur reden. Aber als Völkerrechtlerin sage ich Ihnen: Wenn wir das Abkommen verlieren, verlieren wir auch das Vertrauen in Verträge”. Einen klaren Bruch des Völkerrechts sieht Kneissl auch, wenn US-Sanktionen “über das amerikanische Staatsgebiet hinaus gelten” und damit europäische Unternehmen bedrohen.
Noch keine Lösung gibt es für jene österreichischen Diplomaten im Ausland, die durch die geplante Reform die Familienbeihilfe verlieren würden. Die Außenministerin verwies darauf, dass die Gespräche etwa mit dem für den öffentlichen Dienst zuständigen Vizekanzleramt laufen. Auch Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) sprach lediglich von weiteren Gesprächen.
Gefragt, ob sie als von der FPÖ nominierte parteilose Ministerin Druck von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache spüre, antwortete Kneissl: “Nein, ich verspüre Unabhängigkeit.” Es gelinge ihr mit allen Parteien im Parlament ein respektvolles Miteinander. “Was ich vertrete, das sind die Interessen Österreichs im Ausland.”
(APA)
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