Auf die Hauptsache geht Putin nur kurz ein. Der Außenpolitik widmet der russische Präsident bei seiner diesjährigen Rede an die Nation nur wenige Minuten. Doch die künden von einem erneuerten Selbstbewusstsein Russlands 25 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. “Wir wollen und werden unser Schicksal selbst bestimmen”, sagt Putin.
Russland als Militärmacht zurück
Unter den weißen Marmorsäulen des Georgssaals im Kreml hören ihm wie jedes Jahr etwa 1.000 russische Würdenträger zu. Es ist Putins 13. Rede, 69 Minuten lang, die meisten der Wirtschaftspolitik gewidmet. Doch international bietet Putin aus einer neuen Position der Stärke Kooperation an. “Wir wollen keine Konfrontation, wir suchen keine Feinde”, sagt er. “Wir brauchen Freunde, aber wir dulden keine Missachtung unserer nationalen Interessen.”
Russland hat 2016 seinen Einfluss auf der Weltbühne ausgebaut, vor allem als Militärmacht ist es zurück. Der Oberkommandierende dankt seinen Militärs, “dass sie Soldaten Russlands sind und ihre Ehre und die Ehre Russlands achten.” Dafür bekommt Putin den kräftigsten Applaus.
“Armee und Flotte haben in Syrien überzeugend bewiesen, dass sie auch weit entfernt von ihrer Heimatbasis effektiv operieren”, sagt der Kremlchef. Das ist fast eine Untertreibung: Russland bestimmt mittlerweile die militärische Lage in Syrien. Die USA im Übergang zwischen zwei Regierungen können und wollen daran nichts ändern.
Syrien: Kriegsentscheidende Schlacht um Aleppo
Dieser Tage helfen russische Luftwaffe und iranische Milizen dem Regime von Präsident Bashar al-Assad, die umkämpfte Stadt Aleppo zurückzuerobern. Es ist die möglicherweise kriegsentscheidende Schlacht, zahllose Zivilisten kommen im Bombenhagel ums Leben.
Auf die USA kommt Putin nur nach einem Schlenker zu sprechen. China sei wichtig als Partner für Russland, sagt er. Und Indien. Und Japan. Erst dann sagt er: “Wir sind bereit zur Zusammenarbeit mit der neuen US-Regierung.”
Neue Möglichkeiten durch US-Wahl
Auch die US-Wahl hat Putin neue Möglichkeiten eröffnet. Nicht die moskau-kritische, aber berechenbare Hillary Clinton hat gesiegt. Sondern Donald Trump, der offen seine Sympathie für Putin und dessen Führungsstil bekundet. Der Republikaner will das US-Engagement in Syrien, in Europa und anderen Stellen der Welt verringern. Wenn es dabei bliebe, würde das Raum für Russland lassen.
Aussöhnung mit Türkei
Bei Putins Rede vor einem Jahr war die Türkei der Hauptfeind. Wenige Tage zuvor hatte die türkische Luftwaffe im syrischen Grenzgebiet einen russischen Kampfjet abgeschossen. Die türkische Führung habe ihren Verstand verloren, schimpfte Putin.
Unter dem Druck russischer Wirtschaftssanktionen entschuldigte sich Ankara wenige Monate später. Und seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli, enttäuscht von Kritik der EU, sucht Präsident Recep Tayyip Erdogan erst recht den Schulterschluss mit Putin.
Mehrere Wahlen im Sinne des Kremls
Mehrere Wahlen dieses Jahr sind im Sinn des Kremls gelaufen. In Bulgarien und in der kleinen Ex-Sowjetrepublik Moldau stimmten die Wähler für prorussische Präsidenten. In Frankreich wurde Francois Fillon Kandidat der Konservativen für die Präsidentenwahl kommendes Jahr. Der Ex-Ministerpräsident will die Sanktionen gegen Russland beenden. Seine wahrscheinliche Gegnerin in einer Stichwahl: die Rechtspopulistin Marine Le Pen, die gute Kontakte nach Moskau hat.
In Deutschland wird 2017 ebenfalls gewählt. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will eine vierte Amtszeit. Sie hat die Sanktionen der EU organisiert, nachdem Russland 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektierte und den Separatisten im Osten der Ukraine half. Experten wie der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, befürchten, dass Russland mit Desinformationskampagnen und Computerattacken Einfluss auf den deutschen Wahlkampf nehmen könnte.
(APA)
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