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Archivgespräch zum 1. Weltkrieg

Hubert Weitensfelder über die Ersatzstoffe im 1. Weltkrieg
Hubert Weitensfelder über die Ersatzstoffe im 1. Weltkrieg ©Pezold
Zum sechsten Archivgespräch hatte sich Hubert Weitensfelder zum Vortrag über Ersatzstoffe angesagt. Lustenau. Am Montagabend fand im Stickereimuseum das vorletzte Archivgespräch zum Thema 1. Weltkrieg statt. Dr.
Archivgespräch zum 1. Weltkrieg

Hubert Weitensfelder, Bereichsleiter der Sammlungen „Handwerkliche und industrielle Produktionstechnik“ am Technischen Museum Wien, hatte sich intensiv mit den Ersatzstoffen, die im 1. Weltkrieg verwendet wurden, beschäftigt. In seinen Ausführungen klärte er das Publikum über die Vor- und Nachteile dieser Stoffe auf und führte Beispiele auf, die den Zuhörern bislang gänzlich unbekannt waren.

Ersatzstoffe seit Jahrhunderten bekannt

„Seit hunderten von Jahren gibt es z.B. Ersatzstoffe für Marmor und Elfenbein“, so der Referent. Einen Ersatzstoff den jeder kennt, ist z.B. „Ersatzcafé“, doch es gibt viele Stoffe, die dem Konsumenten so nicht bekannt sind. Als der 1. Weltkrieg ausbrach, die Lieferanten plötzlich im Feindgebiet angesiedelt waren, wurden Rohstoffe knapp. Man musste sich um Ersatz umsehen und es waren der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Hauptsächlich handelte es sich um Ersatzmittel für diverse Metalle, Textilien, Chemikalien und auch Nahrungsmittel. Bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn sah man, das man Unmengen an Material brauchen würde, der Munitionsverbrauch war immens, nach zwei Jahren Krieg hatte man 1,5 Mrd. Infanterie-Patronen verschossen. Amerika deckte 75% des Kupferbedarfs ab, der Grundstoff für Aluminium kam aus Frankreich. All diese Stoffe konnten nicht mehr bezogen werden und man war gezwungen, sich nach Alternativen umzusehen. Bei der E-Bahn zwischen Bludenz und Schruns wurde Kupfer ausgebaut, Altmetall wurde gesammelt, Kirchenglocken mussten dem Kriege weichen und wurden eingeschmolzen. Allein Dornbirn lieferte zehn Glocken ab. Baumwolle, Schafwolle und Flachs, aus den Englischen Kolonien importiert, wurden Mangelware. Aus alten Kleidungsstücken und aus Brennnesseln wurden Fasern für den dringendsten Bedarf hergestellt. Selbst Kleidung aus Papiergarn wurde verarbeitet, war jedoch bei der Bevölkerung sehr unbeliebt. Schwarzpulver, das eigentlich längst überholt war, wurde wieder aktiviert, in der Not musste man auf das Vorhandene zurückgreifen.

In Tagen wie diesen

Hubert Weitensfelder wartete mit fundiertem Sachwissen auf, zählte eine Unmenge von Ersatzstoffen auf, die dem Publikum gänzlich unbekannt waren. Auch bei den Nahrungsmitteln musste an allen Ecken und Enden gespart werden, die Rohstoffe wurden knapp, der Hunger immer größer. Selbst vor der Herstellung von Fetten aus Tierkadavern schreckte man nicht zurück, es gab Kriegsmargarine mit Fischgeruch im Angebot, Salat sollte man gar mit Maschinenöl anmachen, was eher ein Brechmittel denn ein Nahrungsmittel war. Als man auch noch auf die Idee kam, „Blutbrot“ zu backen, war das Maß des Unerträglichen voll. Welch unglaubliches Ekelgefühl die Menschen von damals beutelte, ist in der heutigen Zeit nicht mehr nachvollziehbar. So gab es unzählige Ideen, Vorschläge und Versuche, die Not erträglicher zu machen und den Mangel an Grundstoffen auszugleichen. Einen Vorteil hatte wohl diese dunkle Zeit, es wurde auf allen Ebenen intensiv geforscht, um dem Mangel ein Ende zu bereiten.

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