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Als Vorarlberg Schweizer Kanton werden wollte

Bregenz - Die Anschlussbestrebungen Vorarlbergs an die Schweiz nach dem Ersten Weltkrieg sind von 25. Oktober bis 25. Jänner 2009 Thema einer Ausstellung des Vorarlberger Landesmuseums (VLM).   Interview Natter 

In der Schau “Kanton Übrig – Als Vorarlberg zur Schweiz gehören wollte” hat das VLM interessante Exponate zur Volksbefragung vom 11. Mai 1919 zusammengetragen. Damals befürworteten über 80 Prozent der Vorarlberger den Anschluss an die Schweiz. Das Thema sei bereits im Vorfeld auf großes Interesse gestoßen, es emotionalisiere auch heute noch sehr, erklärte VLM-Direktor Tobias Natter am Donnerstag bei einem Pressegespräch.

Mit dem zeitgeschichtlich spannenden Thema, einer neuen Gestaltung und Vermittlung will Natter mit der Ausstellung einen Vorgeschmack auf das “Landesmuseum neu” bieten, das im Jahr 2012 eröffnet werden soll. Die von Stefan Graf und Gebhard Grabher kuratierte Schau entführt die Besucher in die Zeit von vor 90 Jahren, als die Habsburger Monarchie zusammenbrach und die Bevölkerung nach dem Krieg große Not litt.
Der neue Staat Österreich wurde von vielen nicht für lebensfähig gehalten, eine österreichische Identität gab es kaum. Einzelne Bundesländer suchten daher andere Wege. Während etwa Salzburg und Tirol die Angliederung an Deutschland anstrebten, zog es Vorarlberg zu den Eidgenossen.

Den Anstoß gab der Lustenauer Lehrer Ferdinand Riedmann. Er gründete ein Komitee, das für den Anschluss an die Schweiz warb, und stieß damit auf große Zustimmung unter den Vorarlbergern. Das “Schwabenkapital”, eine Vereinigung Wirtschaftstreibender, befürwortete dagegen einen Anschluss an Deutschland und prägte mit einem Flugblatt das heute noch bekannte Schlagwort des “Kanton Übrig”. Der neu konstituierte Vorarlberger Landtag ignorierte die Bestrebungen Riedmanns zunächst, nach einer Unterschriftenaktion war man jedoch gezwungen, sich damit zu befassen.
Am 11. Mai 1919 kam es zur Volksbefragung, eine Mehrheit von 82 Prozent stimmte für das Vorhaben. Der Friedensvertrag von St. Germain machte dann aber allen Anschluss-Bestrebungen ein Ende.

Man wolle mit der Ausstellung nicht nur die Fakten aufzeigen, es gehe auch um eine Einbettung in den europäischen Kontext, so Direktor Natter. Man wolle zudem verschiedene Sichtweisen zeigen, etwa auch die der Schweizer, die in jener Zeit zahlreiche andere innen- und außenpolitische Probleme beschäftigten. Als Herausforderung sah es Natter, das “abstrakte Thema” für die Besucher aufzuarbeiten. Mit Schlagzeilen-Beschriftungen, Zitaten, Plakaten, Film- und Fotomaterial sowie Karikaturen soll der Zugang zu dem textlastigen Thema erleichtert werden.

Das Landesmuseum geht aber auch über das Jahr 1919 hinaus und spannt den Bogen über die “Pro Vorarlberg”-Bewegung bis hin zur Gegenwart. In einer Umfrage des ORF von 2008, die als Hörstation in der Ausstellung vertreten ist, sind die heutigen Meinungen der Vorarlberger zu einem Anschluss an die Schweiz zu hören.
Während für die einen die wirtschaftlichen und kulturellen Bindungen an Österreich und die EU eindeutig für einen Verbleib bei Österreich sprechen, ist für andere ein “Kanton Vorarlberg” nach wie vor vorstellbar.


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