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„Als Jude pfeife ich drauf“

©MiK
W&W traf sich mit Hanno Loewy, um über Privates, Gesellschaftspolitisches und jüdische Komik zu reden.

WANN & WO: Wie hat Ihre Kindheit in Frankfurt ausgesehen?

Hanno Loewy: Meine Eltern haben sich damals entschieden aus Israel nach Deutschland zurückzukehren. Sie haben sich dann eher Freunde aus der „Nachkriegsgeneration“ gesucht. Meine Eltern waren schon älter, als ich auf die Welt kam, über 40. Heute ist das ja eher normal. Ansonsten hatte ich eine schöne Kindheit in Frankfurt. Es war eine spannende Stadt, es gab noch viele Ruinen und irgendwelche Schutthaufen. Die stärkste Erinnerung aus meiner Kindheit ist: Es ist überall Baustelle. Grau und staubig, zu viele Autos – aber Energie.

WANN & WO: Was machen Sie privat, wenn Sie nicht gerade im Museum sind?

Hanno Loewy: Ich genieße was diese Region, dieses Land zu bieten hat – neben dem Museum. Es gibt eine unvergleichlich hohe Qualität an Natur, Kultur, Essen und Architektur. Wir gehen sehr gerne Wandern, Rodeln, Skifahren, im Alten Rhein Schwimmen oder Radfahren. Und wir gehen gerne in den Adler Essen, das muss ich einfach sagen (lacht).

WANN & WO: Was hat Sie nach Vorarlberg gebracht?

Hanno Loewy: Das Museum. Ich habe schon 1994 das erste Mal Hohenems besucht. Viele Freunde aus Wien haben erzählt, dass es da ein neues Museum gäbe, das ganz modern und anders gemacht sei als die üblichen jüdischen Museen und irgendwie hab ich mich da verliebt.

WANN & WO: Könnte man sagen, dass Hohenems ihr Zuhause ist?

Hanno Loewy: Ich bin natürlich ab und zu in Frankfurt, denn ein Teil der Familie lebt noch dort, aber für mich ist es schon sehr zu einem Zuhause geworden. Man hat viele „Zuhause“, aber für mich ist es inzwischen das Lebenszentrum. In Vorarlberg lebt man doch eh ein sehr regionales Leben, jeder ist viel unterwegs.

WANN & WO: Was bedeutet das jüdische Museum für Sie?

Hanno Loewy: Für mich ist es ein Ort der Begegnung, an dem sich Menschen ganz herausfordernden Fragen stellen, von Selbstbildern, von Zugehörigkeit, von Fremdheit und Eigenheit. Ein Ort, an dem Identitäten in Frage gestellt werden und nicht wiedergekäut oder zementiert werden. Ein Ort, an dem sich Menschen offen begegnen.

WANN & WO: Haben Sie einen bestimmten Friseur?

Hanno Loewy: Ja (lacht). Ja, ja, die Ingrid hier in Hohenems. Wieso? Ich hab nicht soviel Arbeit mit den Haaren, zweimal im Jahr wird gestutzt.

WANN & WO: Wie wichtig ist Ihnen die Familie?

Hanno Loewy: Die ist mir immer sehr wichtig gewesen, weil ansonsten ist man haltlos. Im Moment, da die Kinder außer Haus sind, sind wir zu zweit – die Tochter ist in Wien, der Sohn in Frankfurt. Meine Frau und ich versuchen so viel wie möglich im Leben zu teilen. Das gibt Kraft. Und so ist es so eine Art Dreieck, in dem sich unser Leben abspielt. Familie ist wichtig, wenn ich mir vorstelle alleine zu leben, da verwahrlost man doch. Zusammenleben mit Menschen ist die Zivilisation, die einen am Leben erhält.

WANN & WO: Die Urheberrechte an „Mein Kampf“ sind ausgelaufen. Was sagen Sie dazu?

Hanno Loewy: So ist das nun mal. Wenn Historiker Kommentare zu „Mein Kampf“ schreiben wollen, sei es ihnen gegönnt, aber ich mache mir andere Sorgen. Auf dem Markt gibt es gefährlichere Bücher, mit einer zeitgemäßen Sprache und im Internet findet man eh alles – Hitlers „Mein Kampf“ macht mir keine Angst, mir machen ganz andere Sachen Angst. Wenn ich ins Netz schaue wie über Köln diskutiert wird, über die Muslime.

WANN & WO: Wie bewerten Sie die Politik in Österreich?

Hanno Loewy: Die FPÖ hat auch hier einige Jahre Stimmungsmache gegen Ausländer gemacht, und auch das hat Egger zu verantworten gehabt. Aber es scheint, er hat sich entschieden auf diese Art der Polarisierung weitgehend zu verzichten. Das ist gut so und ich hoffe, dass es so bleibt. Die FPÖ im Bund tut das nicht. Personen, die öffentlich mit antisemitischer oder antimuslimischer Hetze auf sich aufmerksam. Trotzdem spielt die Bundes-FPÖ immer weiter mit Polarisierung Zweideutigkeiten. Und dann verteidigt die FPÖ noch Israel als Bollwerk gegen „das Böse aus dem Osten“ und spielt Juden gegen Muslime aus. Ich als Jude pfeife ehrlich gesagt darauf, für so ein zynisches Spiel benutzt zu werden.

WANN & WO: Dieter Egger ist nun Hohenemser Bürgermeister. Was bedeutet das für Sie?

Hanno Loewy: Ich nehme das sportlich (schmunzelt). Für mich bedeutet das nicht viel. Unsere Arbeit ist nicht abhängig vom Bürgermeister, sondern wie die Menschen arbeiten und was sie im Museum tun. Dieter Egger hat in der Vergangenheit noch nicht öffentlich gezeigt, dass er die jüdische Geschichte hier in der Stadt besonders wichtig findet. Aber das kann ja auch anders sein. Es ist eine Herausforderung für ihn, denn er hat eine Zeit lang als Politiker polarisiert. In letzter Zeit hat er auch gezeigt, dass er bei bestimmten politischen Fragen anders kann. Aber jetzt kommt: „The proof of the pudding is the proof of the eating.“ Was das Jüdische Museum für Hohenems bedeutet, das weiß er.

WANN & WO: Wie sehen Sie die Flüchtlingsthematik?

Hanno Loewy: Ich hab da mehr Sorgen, wie die Stadt in Zukunft mit den Flüchtlingen umgehen wird. Wird man sich da in eine Hysterie hineinreden lassen oder wird man konstruktiv bzw. wertschätzend mit den Menschen umgehen, die zum Arbeiten gekommen sind. Bis dato hat es die Stadt so getan – also auf Augenhöhe zu kommunizieren und Probleme auch ernst nehmen. Wenn es Konflikte gibt, diese mit Respekt ansprechen, aber auch wenn man etwas ansprechen muss, dies auch entschieden tun.

WANN & WO: Wie sehen Sie die momentane Flüchtlingspolitik?

Hanno Loewy: Das ist eine Mischung aus Hilflosigkeit und Vernunft, gutem Willen und Mut. Schwierig zu definieren. Es gibt Unterschiede, wie damit umgegangen wird. In Vorarlberg verhält man sich klüger, weil die Bedingungen günstiger sind und die Kleinräumigkeit der Zivilgesellschaft ein riesiger Vorteil ist. Es gelingt bis jetzt, Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. Alles ist heute nur möglich, weil unzählige Menschen freiwillig helfen – und diese müssen sich dann noch als „Gutmenschen“ beschimpfen lassen. Wenn diese Motivation wegfällt, und die bezahlten Kräfte (Caritas und Behörden etc.) das alleine schaffen sollen, würde es zu einem Desaster führen. Und diese Motivation hängt von der Stimmung ab. Jeder, der Hysterie gegen Flüchtlinge verbreitet, sollte wissen, dass er mit dem Feuer spielt.

WANN & WO: Was ist an dem Vorfwurf des „importierten Antisemitismus“ dran?

Hanno Loewy: Wenn, wird dieser dann exportiert. Mir ist es komplett egal, ob mich ein Ur-Hohenemser auf der Straße als „Judenschwein“ beschimpft, was mir schon passiert ist, oder ein türkischer Jugendlicher, was mir auch schon passiert ist. Ich möchte weder von einem Ur-arischen Hohenemser, noch von einem türkischen Migranten so be­­schimpft werden. Ich will beides nicht. Aber Antisemitismus gibt es überall.

WANN & WO: Wie schaut das moderne Judentum aus?

Hanno Loewy: Das Judentum besteht aus vielen „Judentümern“. Was dabei modern ist und was nicht, weiß man nicht genau, weil manchmal kommen alte Sachen wieder, sind dann neu aber auch ganz alt. Etwa die jüdische Orthodoxie. Die hat vor 100 Jahren keine große Rolle gespielt hat, jetzt aber schon. Wenn ich an die Nationalreligiösen in Israel denke, die von ihrer ideoligischen Qualität so etwas wie Islamisten sind, nur halt jüdische, welche die Religion für ihre politischen Ziele verfolgt, das ist etwas ganz Modernes. Ein Krisenphänomen. Juden, als Volk, haben immer die Möglichkeit sich mehr für weltliche Tradition oder religiöse Gesetzestreue zu entscheiden. Es gibt ein breites Spektrum, wo man sich als Jude verortet.

WANN & WO: Mein Ur-Großvater war Jude, meine Oma war Jüdin. Könnte ich um eine israelische Staatsbürgerschaft ansuchen?

Hanno Loewy: Keine Chance (lacht)! Das geht nur über einen orthodoxen Rabbiner und der will wissen, ob die Mutter Jüdin war. Aber in Europa oder den USA kann auch Rabbiner finden, die helfen könnten, wenn man jüdische Vorfahren gehabt hat, wenn man konvertieren will und es ihm glaubhaft macht oder man möchte die Religion des Partners annehmen. Aber es ist mühsam, viele Fragen und zwei-drei Jahre lernen.

WANN & WO: Was halten Sie von Komikern wie Stermann und Grissemann, die Persiflagen Richtung Nationalsozialismus machen?

Hanno Loewy: Lachen ist nichts was man darf oder nicht darf. Lachen muss man. Es hängt davon ab, ob ein Witz gut ist und zu dem passt, was man komisch findet. Ich habe weder Probleme über Nazis zu lachen noch über Juden, ich kann auch über Vorarlberger lachen. Man lacht über menschliche Schwächen, am Besten die eigenen. Aber es gibt Witze die Leute verächtlich machen, die finde ich grundsätzlich doof. Zurück zu Stermann und Grissemann: „Cordoba“ (Anmk.: Youtube: Cordoba, wie es wirklich war) gehört zum Witzigsten was es gibt.

WANN & WO: Haben Sie einen guten jüdischen Witz?

Hanno Loewy: Ich? Das Problem ist, dass man die meisten jüdischen Witze schon so oft gehört hat. Ein Witz, denn wir immer wieder sagen, da wir hoffen, dass wir uns der Schulden durch das Lotto spielen entledigen können, geht folgendermaßen: „Moritz betet zu Gott: ‚Bitte lass uns im Lotto gewinnen.‘ Und er tut es immer wieder und immer wieder und immer wieder und irgendwann wird es Gott zu blöd und er sagt: ‚Moritz, kauf dir endlich ein Los!‘“

Hanno Loewy

Alter, Wohnort: 54, Hohenems
Beruf: Leiter Jüdisches Museum Hohenems
Studium: Literaturwissenschaft, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft sowie Kulturanthropologie
Familie: Verheiratet, zwei Kinder

WORDRAP

Vorarlberg: Pragmatismus und Lebenskultur
Judentum: Weiter Horizont
Hohenems: Widerspüche
Museum: Entspannt die Widersprüche ertragen, auch die größeren, als die Hohenemser
Familie: Kraft
Literatur: Aus der Zeit heraustreten
Freizeit: Wandern auf die Lindauer Hütte und Rodeln hinunter

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