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Abschluss des OSZE-Ministerats in Wien: Nur kleine Schritte in großen Konflikten

Der OSZE-Ministerrat unter Österreichs Vorsitz ist in Wien zu Ende gegangen.
Der OSZE-Ministerrat unter Österreichs Vorsitz ist in Wien zu Ende gegangen. ©APA/HANS PUNZ
Am Freitag ist in Wien das OSZE-Jahrestreffen zu Ende gegangen. Beherrschendes Thema war dabei der Ukraine-Konflikt. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz musste eingestehen, dass bei den großen Konflikten nur "kleine Schritte" gelungen seien.
OSZE: Schlagabtausch zwischen Russland und USA
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Tillerson lobte Kurz
OSZE will an UNO-Mission beteiligt sein
Die Ukraine-Krise überschattete den OSZE-Ministerrat in Wien. Während Russland unversöhnlich blieb, öffnete Ungarn wegen eines Volksgruppenstreits eine neue Front gegen Kiew. Kurz beklagte in der Abschlusspressekonferenz neuerlich das “Blockdenken” innerhalb Europas. Der österreichische Vorsitz wollte “mehr Vertrauen” zwischen den OSZE-Staaten aufbauen. “Das ist eine sehr schwierige Aufgabe.” Im Ukraine-Konflikt sei es immerhin gelungen, die OSZE-Beobachtermission zu stärken und damit der Zivilbevölkerung mehr Sicherheit zu geben. “Kleine Schritte in die richtige Richtung” habe es im Transnistrien-Konflikt gegeben.

OSZE-Generalsekretät “zutiefst besorgt” über Lage in der Ukraine

OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger zeigte sich “zutiefst besorgt” über die Lage in der Ukraine. “Wir müssen unsere Bemühungen verstärken, dass Patt zu durchbrechen und die Minsker Vereinbarungen umzusetzen”, sagte er. Kurz bezeichnete die Idee einer Blauhelmmission für die Ostukraine als “eine richtige”. Es sei aber noch “viel Detailarbeit zu leisten”.

Lawrow übte scharfe Kritik an der Ukraine

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor in einer Pressekonferenz erneut scharfe Kritik an der Ukraine geübt und ihr vorgeworfen, die Minsker Vereinbarungen aushebeln zu wollen. Kiew benütze die Blauhelmmission als Vehikel, “um das Minsker Abkommen zu begraben”. Diese Mission solle “für Kiew das Problem lösen und die Region zurück in die Ukraine bringen, ohne einen speziellen Status”.

Ukrainische Außenminister kritisierte Moskau

Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin hatte seinerseits gesagt, dass Moskau nicht an einer Umsetzung von Minsk interessiert sei. Im APA-Gespräch kritisierte er, dass Moskau “eine normale UNO-Friedensmission als Besatzungsadministration” bezeichne. Dabei gebe es bereits seit mehr als drei Jahren eine “russische Besatzungsadministration” in der Ostukraine, sagte er mit Blick auf die Separatistengebiete im Donbass.

Beobachter hofften auf Blauhelmmission in der Ukraine

Beobachter hatten sich von dem Wiener Treffen eine Annäherung in der Frage der Blauhelmmission erhofft, die das Patt im Ukraine-Konflikt durchbrechen könnte. So sagte der OSZE-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Martin Sajdik, der APA am Rande des Ministerrates, die UNO-Mission wäre eine “Chance”. Die Minsker Gespräche seien zwar nicht in einer Sackgasse, aber: “Die Gasse ist eng und lang. Effektive, vertrauensbildende Faktoren könnten Wunder wirken.”

Die USA und Russland hatten in den vergangenen Wochen diskrete Verhandlungen zur Annäherung ihrer Positionen in dieser Frage geführt. Diplomaten hatten auf eine Fortsetzung in Wien gehofft. Zum OSZE-Ministerrat war aber nur der US-Unterhändler Kurt Volker gekommen, nicht aber sein russischer Kollege Wladislaw Surkow, wie Diplomaten berichteten.

Tillerson und Lawrow lieferten sich Schlagabtausch in Wien

Lawrow und US-Außenminister Rex Tillerson hatten sich bei der Plenardebatte am Donnerstag einen verbalen Schlagabtausch geliefert. Tillerson machte dabei klar, dass Washington die “versuchte Annexion” der Halbinsel Krim durch Russland niemals akzeptieren werde und die Sanktionen bis zum Abzug Moskaus aufrecht blieben. Lawrow warf den Amerikanern seinerseits vor, das russische Konzept für eine Blauhelmmission “auf den Kopf stellen” zu wollen.

Ungewöhnliche Schützenhilfe bekam Lawrow dabei vom ungarischen Außenminister Peter Szijjarto, der von Übergriffen auf die ungarische Minderheit in der Region Transkarpatien berichtete und die Entsendung von OSZE-Beobachtern verlangte. Kurz versuchte, den Ball in dieser Sache flach zu halten. “Ich kenne das Thema. Ich bin in Kontakt mit allen Beteiligten”, sagte er auf eine Frage der APA bei der Abschlusspressekonferenz. Das Thema müsse auf diplomatischer Ebene gelöst werden und er glaube “fest daran, dass das möglich sein wird”.

Mehr als ein Dutzend Erklärungen bei OSZE-Ministerrat abgenommen

Beim Ministerrat wurden mehr als ein Dutzend Erklärungen angenommen, etwa zu Menschenhandel, sexueller Ausbeutung von Kindern, Klein- und Leichtwaffen sowie wirtschaftlicher Teilhabe. Bemerkenswert war die Zustimmung Moskaus zu einer Erklärung gegen den “böswilligen Gebrauch” von Informations- und Kommunikationstechnologien. Russland steht wegen Vorwürfen, Wahlkämpfe über Informationskampagnen zu beeinflussen, international in der Kritik.

Beschlossen wurde auch eine Erklärung zu Transnistrien, in dem der abtrünnigen Region ein “Sonderstatus” innerhalb der Republik Moldau in Aussicht gestellt wird. In den Gesprächen zwischen den Konfliktparteien hatte es jüngst eine deutliche Annäherung gegeben; so wurde auch eine seit 25 Jahren geschlossene Brücke über den Dnister geöffnet.

Italien übernimmt OSZE-Vorsitz von Österreich

Der jährliche Ministerrat im Dezember, zu dem heuer 40 Außenminister anreisten, ist der Höhepunkt und informelle Abschluss der Präsidentschaft. Am 1. Jänner übernimmt der italienische Außenminister Angelino Alfano den OSZE-Vorsitz. Er will den Fokus vor allem auf das Mittelmeer legen, weil von dort viele Probleme ausgehen, die Europa betreffen, wie er sagte. Alfano dürfte aber nur wenige Monate OSZE-Vorsitzender bleiben, da Italien spätestens im Mai Parlamentswahlen abhält, bei denen der konservative Politiker nicht mehr kandidieren will.

Bilanz über Österreichs OSZE-Vorsitz

Den Vogel schoss die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland ab. “Wir machen uns ganz fleißig Notizen, weil wir nächstes Jahr die G-7-Präsidentschaft haben”, streute sie dem österreichischen OSZE-Vorsitz beim Wiener Ministerrat Rosen. Tatsächlich konnte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag entspannt Bilanz ziehen, hat Österreich die OSZE doch vor einer bedrohlichen Krise bewahrt. “Ihr habt einen fantastischen Job gemacht”, sagte OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger bei der Abschlusspressekonferenz am Freitag in Richtung des österreichischen Vorsitzteams. Kurz gab den bescheidenen Vorzugsschüler. Österreich habe den OSZE-Vorsitz übernommen, weil es gemeint hat, “einen Beitrag leisten” zu können. “Wir sind dankbar, dass wir diese Möglichkeit bekommen haben”, fügte er hinzu.

Österreich wandte OSZE-Chaos ab

Entschieden hatte sich das Schicksal der österreichischen OSZE-Präsidentschaft bereits zur Jahresmitte. Nach monatelangem diplomatischen Geplänkel war die Sicherheitsorganisation damals komplett führungslos da gestanden: Anfang Juli waren alle vier OSZE-Topposten unbesetzt, auch jener des Generalsekretärs. Auch wenn die 57 Staaten schon seit Jahren in politischen Fragen heillos zerstritten sind, hatte es so eine Situation noch nie gegeben.

Experten sahen die OSZE bereits im Chaos versinken, doch konnte das von den Diplomaten Clemens Koja, Florian Raunig und Christian Strohal angeführte österreichische Vorsitzteam mit geschickten diplomatischen Schachzügen rasch ein annehmbares Personalpaket schnüren.

Lawrow stimmt Österreichs OSZE-Vorsitz zu

Freilich wäre ohne den russischen Außenminister Sergej Lawrow nichts gegangen. Nachdem er zuvor monatelang blockiert hatte, hob er beim informellen Ministertreffen im niederösterreichischen Mauerbach am 11. Juli öffentlichkeitswirksam den Daumen. Gleich setzten Spekulationen ein, es habe sich um Wahlkampfhilfe für den ÖVP-Chef gehandelt. Vier Monate später gewann Kurz die Wahl und verhandelt nun mit der russlandfreundlichen FPÖ über eine Regierung.

Mit der Einigung in Mauerbach habe Österreich eine “drastische Verschlechterung” in der OSZE abgewendet, betonte der Hamburger OSZE-Experte Wolfgang Zellner gegenüber der APA. “Wenn das nicht gelungen wäre, wäre die OSZE in eine ganz üble Schieflage gekommen.” Greminger äußerte sich ähnlich. “Österreich ist es gelungen, die OSZE aus der Führungskrise zu führen. Das ist eine ganz beeindruckende diplomatische Leistung”, sagte er der APA.

Kurz rückte Leid der ukrainisches Zivilbevökerung in den Fokus

Vorzeigbar ist die österreichische Bilanz auch in anderen Bereichen. Mit seinem Frontbesuch in der Ostukraine hatte Medienprofi Kurz gleich zu Beginn seines Vorsitzes im Jänner aufgezeigt. Weil eine Lösung dieses und anderer Konflikte außer Reichweite war, rückte er das Leid der Zivilbevölkerung in den Fokus. Hier gab es Teilerfolge. Die OSZE-Beobachtertruppe in der Ukraine wurde verlängert, aufgestockt und besser technisch ausgestattet. Im Transnistrien-Konflikt wurde eine seit 25 Jahren geschlossene Brücke wiedereröffnet, die 5+2-Verhandlungen nach über einem Jahr wieder aufgenommen.

Kampf gegen Radikalisierung als Leibthema von Kurz

Nicht viel Handfestes gab es allerdings beim Leibthema des Integrationsministers, dem Kampf gegen Radikalisierung und Extremismus. Der von Kurz ernannte OSZE-Sonderbeauftragte Peter Neumann schrieb zwar einen Bericht mit den “Best Practices” der OSZE-Staaten im Kampf gegen Radikalisierung, doch droht die Initiative zu versanden. Neumann dürfte nämlich vom italienischen Vorsitz nicht verlängert werden. Immerhin hat Kurz 250.000 Euro locker gemacht, um Neumanns Empfehlungen in Form eines “Handbuchs zur Prävention” im OSZE-Raum zu verbreiten.

Budgetsitualtion der OSZE in Krise

Doch es wäre nicht die OSZE, wenn nicht schon die nächste Existenzkrise in Sicht wäre. Diesmal geht es ums Budget, das nicht einmal 140 Millionen Euro ausmacht. Schon die deutsche Vorgängerpräsidentschaft hatte Österreich ein unfertiges Budget übergeben, der Beschluss dauerte bis Juni. Nun droht unter italienischem Vorsitz das Chaos, weil mehrere Staaten ihre Beitragssätze neu verhandeln wollen. Kurz zeigte beim OSZE-Ministerrat besorgt und warnte, dass der Streit die Finanzbasis der Organisation gefährde.

Wenig Positives über Italiens OSZE-Vorsitz

Dazu kommt, dass die italienische Präsidentschaft nicht wirklich auf der Höhe scheint. So sorgte der künftige OSZE-Vorsitzende Angelino Alfano für Irritationen, weil er nur wenige Stunden zum Ministerrat gekommen war. Die traditionelle Staffelübergabe am zweiten Tagungstag fiel solcherart ins Wasser. Alfano ist ohnehin ein OSZE-Chef auf Abruf, da er bei den Parlamentswahlen im Mai nicht mehr antreten will.

Während Kurz den Italienern am Freitagnachmittag “viel Glück” wünschte, war hinter vorgehaltener Hand wenig Positives über die “incoming chairmanship” zu hören. “So eine schlecht vorbereitete Präsidentschaft habe ich noch nie gesehen”, sagte ein erfahrener Diplomat der APA. “Böse Zungen behaupten, dass die Slowaken jetzt schon besser vorbereitet sind”, fügte er mit Blick auf das übernächste Vorsitzland hinzu.

APA/Red.

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