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"24 mal Leuchten": Schicksalen ein Gesicht geben

Robert Schneider hat 24 Menschen vor die Kamera geholt.
Robert Schneider hat 24 Menschen vor die Kamera geholt.
Schwarzach. Robert Schneider, Autor und Filmemacher aus Meschach, hat sie vor die Kamera geholt: Flüchtlinge – teilweise erst vor kurzem nach Vorarlberg gekommen, teilweise schon Jahrzehnte hier lebend – erzählen, wie es ihnen in ihrer neuen Heimat geht.
24malleuchten.vol.at

“Ich habe mit dem Projekt ’24 x Leuchten’ im Frühjahr angefangen, ohne zu wissen, was für eine Dramatik sich in der Flüchtlingsthematik im Lauf des Jahres entwickeln würde. Ich sah Bilder von Hundertschaften von Flüchtlingen an Bahnhöfen. Das hat mich gestört, denn damit wurde durch diverse Medien bewusst oder unbewusst Angst geschürt, so als würde Österreich von Flüchtlingen überrannt werden”, erzählt Robert Schneider. Seine Idee war es, den Einzelschicksalen ein Gesicht zu geben. “Ich habe 24 Menschen ausgewählt und versucht, diesen Menschen wenigstens eine Minute lang so etwas wie ihre Würde zurückzugeben, die ihnen im Krieg genommen worden war.” Der Bogen spannt sich dabei vom “akuten” Flüchtling bis zu Frau Eleonore Schönborn, der Mutter des Kardinals, die 1945 mit drei kleinen Kindern aus der ehemaligen Tschechoslowakei flüchten musste. “Ich wollte auch zeigen, wie sich ehemalige Flüchtlinge auf großartige Weise in diesem Land integriert haben, hier arbeiten, Familien gegründet haben, ein großer Gewinn für unser Land geworden sind.”

Geschichten, die unter die Haut gehen

Robert Schneider hat sich im Vorfeld viel Zeit genommen, die Dreharbeiten wurden so sensibel wie möglich gestaltet. “Es war berührend, zu sehen, wie sich alle richtig schön gemacht haben mit dem Nichts, das sie haben, besonders die Frauen.” Die Geschichten machen betroffen: “Ich wollte eine Ahnung von dem bekommen, was die oder der im Speziellen erlebt hat, wie die Fluchtgeschichte verlaufen ist, und so weiter. Das waren bisweilen Erzählungen, die mich anfänglich sehr deprimiert haben, mir wirklich unter die Haut gingen. Mein Gott, dachte ich oft, es könnte genau so umgekehrt sein: Ich, Robert Schneider, sitze da und gebe Auskunft darüber, wie sehr ich gedemütigt wurde, wie mein Dorf dem Erdboden gleichgemacht wurde, man meine Kinder vor meinen Augen umgebracht hat, wie im Fall des Mohamed Jalal.”

»“Ich habe versucht, diesen Menschen wenigstens eine Minute lang so etwas wie ihr Würde zurückzugeben, die ihnen im Krieg genommen worden war.” (Robert Schneider, Autor & Filmemacher)«
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02 ©Robert Schneider, Autor und Filmemacher aus Meschach. (Bild: Waitz)

Robert Schneider im Interview

Wie ist die Idee zu “24 mal Leuchten” entstanden und was ist die Idee bzw. das Ziel dahinter?

Schneider: Ich habe das Projekt im Frühjahr entwickelt, ohne zu ahnen, was für eine Dramatik das Flüchtlingsthema im Lauf des Jahres erhalten würde. Mich hat gestört, dass man in den Medien stets Hundertschaften von Flüchtlingen an Bahnhöfen zeigt, so als sei eine Völkerwanderung im Gang und wir würden überrollt. Ich dachte: Das sind doch einzelne Schicksale, und die verdienen es, ihnen ein Gesicht zu geben. Ich wollte dem Einzelnen ein Gesicht geben, wenigstens eine Minute lang.

Wie lange hat die Umsetzung des Projekt gedauert und wer hat mitgewirkt?

Schneider: Die Vorbereitung zu dem Projekt begann im Frühjahr, abgeschlossen war es Mitte November. Das Aufwändige waren die Vorgespräche, die oft mit Übersetzern geführt werden mussten. Ich habe einen großartigen Rückhalt und Support in der Caritas und ihren Mitarbeitern gefunden. Die machen wirklich einen tollen Job, der oft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geht.

Was war für Dich der berührendste Moment?

Schneider: In den 24 Clips überreichen wir jedem Flüchtling ein symbolisches Geschenk, und dann fragen wir, was sie uns schenken. Als ich den 48-jährigen Mohamed Jalal aus Syrien fragte, was er uns schenkt, begann er, ein Wiegenlied zu singen. Wir wussten, dass er mitansehen musste, wie seine Frau und die beiden Töchter vor seinen Augen erschossen wurden. Das Lied hat er den Töchtern, als sie klein waren, zum Einschlafen vorgesungen. Es war danach lange totenstill.

Wie hat Dich persönlich der Kontakt zu den Menschen verändert? Siehst Du die Thematik heute anders?

Schneider: Ich sehe die Flüchtlingsthematik nicht als Bedrohung. Gegen Ende des II. Weltkriegs und danach waren über drei Mio. Menschen in Europa auf der Flucht. Es waren natürlich in der Hauptsache Deutschstämmige. Auch solche Persönlichkeiten durften wir portraitieren. Ich sehe die derzeitige Thematik als wunderbare Chance des reichen Europas, von dem etwas zurückzugeben, was es seit 70 Jahren genießt: Frieden und Wohlstand.

24 mal Leuchten ist nach Faces dein zweites Multimedia-Projekt – was fasziniert Dich an der Stilform “Video”?

Schneider: Mich fasziniert an diesem Medium, dass man sehr flexibel reagieren kann und schnell. Ich begreife mich als Video-Dokumentarist, allerdings mit künstlerischer Ambition. Ich war ja von Haus aus Schriftsteller, bin es noch immer, nur erzähle ich jetzt mit Bildern und Ton. Das ist eine enorme Bereicherung.

Die Kurzportraits sind ab 1. Dezember täglich auf der Homepage der Caritas Vorarlberg, auf VOL.AT und in den kleineren, heimischen Kinos zu sehen.

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