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20 Jahre EU-Beitritt: Wie die Österreicher überzeugt wurden

20 Jahre EU-Beitritt - Wie man die EU sexy macht
20 Jahre EU-Beitritt - Wie man die EU sexy macht ©APA/UNBEKANNT
Werberguru Jan Demner hat Österreich vor 20 Jahren den Beitritt zur EU schmackhaft gemacht. Zu Beginn waren die Österreicher sehr skeptisch.

“Reden wir darüber”, lautete darum das Angebot, das landesweit die Plakate zierte. Es sollte eine Kampagne werden, die das Land für immer veränderte. “Es war wahrscheinlich die wichtigste Arbeit, die ich in meinem Leben gemacht habe”, sagt er heute.

20 Jahre EU-Beitritt

Die österreichische Regierung stand Anfang der 1990er-Jahre vor einem Problem: Die Koalition aus SPÖ und ÖVP war dem Beitritt zur einer Organisation verschrieben, die damals noch Europäische Gemeinschaft (EG) hieß. Doch die Bevölkerung spielte nicht mit: Zwei Drittel sprachen sich in Umfragen dagegen aus. Und was noch viel schlimmer war, erzählt Demner der APA: Die Leute wollten von dem Thema EU – über das Politiker und Experten in den Medien dauernd stritten – auch nichts wissen.

Die Kampagne setzte darum 1992 beim Nullpunkt an. “Daher haben wir gesagt, wir müssen die Leute abholen bei irgendwas, was ihnen einen Nutzen verspricht”, sagt Demner. Auch der Stil sei neu für eine politische Kampagne gewesen: “Wir haben keine Behauptungen aufgestellt. Es war die erste politische Kampagne, die den Leuten mit Fragezeichen gekommen ist.” Umgerechnet 18 Millionen Euro erhielt Demner von 1992 bis zur Volksabstimmung über den Beitritt für die Kampagne.

Vorteile der EU

Die Vorteile, mit denen damals Europa schmackhaft gemacht wurde, sind in der Bibel der Beitritts-Befürworter nachzulesen. Die von Demners Agentur verfasste Schrift nannte sich schlicht “Das Buch”. Darin wird eine Studie zitiert, nach der nach dem Beitritt “das Wirtschaftswachstum um mindestens zwei Prozentpunkte zusätzlich steigt. Außerdem werden 55.000 zusätzliche Arbeitsplätze prognostiziert. Das Preisniveau würde bei voller Teilnahme um mehr als fünf Prozent sinken.”

Ansprechen wollte die Kampagne aber auch Identitätsfragen – und kurz nach Fall des Eisernen Vorhangs Österreich in seiner neuen Lage am Kontinent einen Platz geben. “Das Kernmotiv war, dass wir die Situation in Europa fokussiert haben: Ein kleines Land im großen Europa”, erklärt Demner. Österreich solle mit seinem Stolz, aber auch seinem “Minderwertigkeitskomplex” eingefangen werden.

Skepsis im ganzen Land

Ankämpfen musste die Beitrittskampagne freilich nicht nur gegen verbreitetes Desinteresse am Thema EU, sondern auch gegen einen gewieften politischen Gegner – Jörg Haider. Der FPÖ-Politiker trat in der Kampagne als massiver EU-Gegner auf und warnte etwa davor, in Österreich komme nach dem EU-Beitritt Schildlaus-Joghurt und Blutschokolade auf den Markt. “Er dachte, er wird da einen Erfolg landen können, aber ist zerschellt an der Kampagne”, sagt Demner. Haider habe sich in “widersprüchliche Aussagen und Polemiken” verstrickt – und letztlich habe die positive Botschaft der proeuropäischen Kampagne die Leute mehr angesprochen.

Volksabstimmung zum Beitritt

Heikel war für Werbeguru Demner auch der Umgang mit seinen Arbeitgebern, dem damaligen SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky und seinem ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek. “Ich habe damals gelernt, wie Koalitionsregierungen funktionieren – man richtet dem anderen am liebsten etwas über einen Dritten aus. Sehr viel wird da nicht geredet.” Demner erzählt heute mit einem Schmunzeln, er habe damals “intensive Pendeldiplomatie” betrieben, um das Regierungsboot auf Kurs zu halten.

Die Volksabstimmung am 12. Juni 1994 machte den durchschlagenden Erfolg der Kampagne Demners deutlich: Fast genau zwei Drittel der Wähler sprachen sich für den Beitritt aus. Am Wahlabend herrschte im Regierungslager euphorische Stimmung. “Alle waren die Väter des Sieges, des Erfolges”, erinnert sich Demner.

Ängste noch vorhanden

Die Ängste um die EU sind seither allerdings nicht verschwunden – euroskeptische Rhetorik feierte seit dem Beitritt immer wieder große Erfolge an den Wahlurnen. Für Werbeprofi Demner liegt das auch an der mangelnden Kommunikation. “Das Europa-Bewusstsein war in den 1990ern das ausgeprägteste in der gesamten Europäischen Union, weil es gewartet wurde.” Mit der Regierung von ÖVP und FPÖ ab 2000 erlahmten aber die Bemühungen, Europa den Österreichern schmackhaft zu machen – die Zahl der Gegner stieg. “Es ist nie wieder gelungen, das zu reanimieren”, sagt Demner.

(Das Gespräch führte Alexander Fanta/APA)

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